Die Reform des heimischen Wohnrechts unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger: Was die neue türkis-grüne Regierung laut Regierungsprogramm vorhat, begann der gemeinnützige Verein Forum Wohn.Bau.Politik schon im Mai 2019 umzusetzen – nämlich einen privaten, großteils digitalen "Wohnrechtskonvent", an dem sich bisher mehr als 100 Expertinnen und Experten sowie auch Laien beteiligt haben.

Gestartet worden war der Prozess kurz vor der Veröffentlichung des mittlerweile weltberühmten Ibiza-Videos. Die darauf folgenden innenpolitischen Umwälzungen – das Ende von Schwarz-Blau, Übergangsregierung, schließlich Neuwahlen – haben den engen Zeitplan umgeworfen. Ursprünglich wollte man im Herbst 2019 schon einen ersten "analogen" Konvent abhalten, also relativ kurz nach der Präsentation des ersten Zwischenberichts ("Arena Analyse") im Juni 2019.

Diese Phase wurde dann verschoben. Auch deshalb, weil man wegen der Neuwahlen schlicht noch nicht wusste, an wen sich etwaige politische Forderungen eigentlich zu richten hätten. Und es war auch, wie berichtet, zu etwas Unmut über die (Vor)Auswahl der Themen gekommen.

Unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten wurde nun ein neuer Zwischenbericht erstellt, der vor wenigen Tagen präsentiert wurde. Er fasst die bisherigen Diskussionen zusammen.

"Politisch zu klärende Fragen"

Als Kernbereiche, "die für alle wohnpolitischen Entscheidungen Relevanz besitzen", wurden die drei Themen "Boden, Raumordnung, Siedlungspolitik", "Bestandspolitik – Mietrecht" und "Klimapolitik: Dekarbonisierung des Wohnungssektors" identifiziert. Und zu jedem dieser Themenbereiche wurden anschließend ein paar "politisch zu klärende Fragen" definiert.

Sie drehen sich beim Kapitel Mietrecht etwa um die bestehenden Stichtage für die Abgrenzung des Voll- vom Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (30. Juni 1953, 8. Mai 1945) bzw. darum, ob diese beibehalten werden sollten oder nicht. "Soll weiterhin zwischen Mietwohnungen mit Preisregelung und solchen, bei denen der Mietzins frei vereinbart werden kann, unterschieden werden?", lautet eine andere Frage.

Bei der Bodenpolitik müsse die Frage beantwortet werden, wie weit die private Verfügung über Grund und Boden gehen und wie mit Wertsteigerungen umgegangen werden solle. "Die Kernfrage ist so einfach wie basal: Kann ein nicht vermehrbares Gut weiter nur wie eine Ware betrachtet und gehandelt werden oder nicht? Für welche Antwort entscheiden wir uns als Gesellschaft?", fragt Barbara Ruhsmann, gemeinsam mit Jörg Wippel die Initiatorin des Konvents.

Bei der Vorstellung des Zwischenberichts am vergangenen Mittwoch ließ Ruhsmann durchblicken, bei welchen Fragen es durchaus "breiten Konsens" geben könnte. Zum einen, dass Preisdeckel in bestimmten Segmenten jedenfalls als sinnvoll erachtet werden, weil Wohnen ein Grundbedürfnis sei. Zum anderen, dass das Errichtungsdatum eines Hauses nicht mehr entscheidend sein sollte bei der Frage, ob eine Preisregulierung greift oder nicht. Befristungen werden großteils als großes Übel empfunden, und mehr Strenge bei den Eintrittsrechten in bestehende Mietverträge sei wohl sinnvoll.

Lernprozess abgebildet

Ruhsmann und Wippel haben im Verlauf des Projekts selbst auch einen "Lernprozess" durchgemacht, wie sie betonten. Diesen Prozess bilden sie in einem lesenswerten Kapitel im Zwischenbericht ab. Diverse schon lange herumgeisternde "Mythen" werden dort auf ihren Bezug zur Realität abgeklopft. Etwa das Dogma vom "Bauen, bauen, bauen" als Allheilmittel, um den Preisdruck aus dem Markt zu nehmen. Denn trotz des Baubooms in Wien und anderen Städten würden die Preise dort bisher nicht sinken; nicht in den Städten und nicht in den Speckgürteln.

Der Markt habe zwar "gearbeitet", aber die Wartelisten für geförderte Wohnungen wurden nicht kürzer. "Es scheint also auch darauf anzukommen, was von wem gebaut wird", so ihre Conclusio. Es brauche deshalb "Investitionen in geförderten und kommunalen Wohnbau bzw. die Ermöglichung desselben durch stringente Bodenpolitik". Außerdem sei eine "konstruktive und intensive Zusammenarbeit von Städten mit Umlandgemeinden nötig", um die Herausforderung "Urbanisierung" bewerkstelligen zu können. Offene Fragen in diesem Zusammenhang seien: "Gibt es Grenzen des Stadtwachstums? Wo liegen sie, wer zieht sie?"

Gegen einen weiteren "Mythos", dass es nämlich nicht die Aufgabe des privaten Wohnungsmarkts sein könne, einkommensschwache Bevölkerungsschichten mit Wohnraum zu versorgen (sondern eben die Aufgabe des geförderten, kommunalen Wohnbaus), führen Wippel und Ruhsmann ins Treffen, dass es "in der gesamten österreichischen Wohngeschichte des 20. Jahrhunderts" nie eine solche "scheinbar säuberliche" Trennung gegeben habe.

Es sei immer ein Nebeneinander gewesen, und im Übrigen sei das private Zinshaus noch bis vor nicht allzu langer Zeit der Inbegriff des "durchmischten" Mikroraums der Stadt gewesen. "Das private Zinshaus war vor allem erste Adresse für Neuankömmlinge in der Stadt, von denen viele nicht begütert waren."

Wohnen und Klimaschutz

Ende der 1980er-Jahre sei dann aber erstmals Kritik an der Treffsicherheit des geförderten Wohnbaus — und mit ihr die Forderung nach einer klareren "Separierung" der Zielgruppen des geförderten und des privaten Wohnungsmarkts – aufgekommen und 1991 in einer parlamentarischen Enquete auch thematisiert worden. "Seit damals schwelt die Debatte, und sie wurde in den letzten Jahren vor allem vonseiten der Immobilienwirtschaft immer offensiver geführt", heißt es in dem Beitrag.

Eine der daraus resultierenden Fragen sei nun, inwiefern die gemeinnützige Wohnungswirtschaft tatsächlich ihre Ausrichtung ändern sollte, um "sozial treffsicherer" zu werden.

Wie bereits erwähnt, ist ein ganzes Kapitel des Berichts auch dem Thema "Wohnen und Klimaschutz" gewidmet. Denn die Dekarbonisierung des Sektors Wohnen müsse natürlich in der österreichischen Klimastrategie eine zentrale Rolle spielen und deshalb auch bei jeder wohnrechtlichen Reform im Fokus stehen. In diesem Zusammenhang zeigten sich einige Expertinnen und Experten, die Wippel und Ruhsmann am Mittwoch anlässlich der Präsentation des Zwischenberichts zu einer Diskussion luden, durchaus angetan vom neuen Regierungsprogramm.

Dass die Regierung offenbar ja eigene Konvente und Enqueten zum Wohnrecht veranstalten will, findet man etwas irritierend. Insofern ist unklar, welche Früchte die wirklich intensive Vorarbeit des Vereins Wohn.Bau.Politik nun wird tragen können. Den Bautensprechern aller Parlamentsparteien wurde der Zwischenbericht jedenfalls bereits vorgestellt. Mal sehen, ob daraus schon bald diverse parlamentarische Initiativen erwachsen. Zu wünschen wäre es durchaus. (Martin Putschögl, 28.02.2020)