Bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster gehen Weibchen und Männchen unterschiedlich mit Hitze um.

Foto: Hannah Davis

Wien – Nicht erst seit dem Bestseller von John Gray, "Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus", sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ein Thema. Auch Evolutionsbiologen haben das Phänomen untersucht und sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Geschlechtsdimorphismus durch Anpassungen an die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse entstanden ist.

Wiener Forscher fanden nun bei Fruchtfliegen heraus, dass der selbe Gen-Text von Männchen und Weibchen aus Anpassungsgründen ganz anders interpretiert werden kann. Die Insekten reagieren auf höhere Temperaturen dadurch großteils in entgegengesetzte Richtungen. Die Geschlechter haben demnach sehr unterschiedliche Anpassungsbedürfnisse in einer veränderten Umwelt, erklären die Forscher im Fachjournal "eLife".

Anpassung an höhere Temperaturen

Die Forscher um Christian Schlötterer vom Institut für Populationsgenetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien setzten Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) erhöhten Umwelttemperaturen aus und untersuchten, wie sie sich daran anpassen. Das passierte kaum mit Veränderungen in den Genen selbst, die ja bei Männchen und Weibchen großteils ident sind, berichten sie. Stattdessen wurden die Gene unterschiedlich abgelesen. Das passierte jedoch nicht bei beiden Geschlechtern gleich.

"Nach nur hundert Generationen haben sich Männchen und Weibchen in entgegengesetzte Richtungen entwickelt", so Schlötterer. Die Art, wie 60 Prozent aller Gene abgelesen (exprimiert) wurden, änderte sich in den beiden Geschlechtern nämlich in eine unterschiedliche Richtung, heißt es in der Fachpublikation. Das führte dazu, dass Fliegenweibchen- und -männchen Fettstoffe unterschiedlich abbauten, und ihre Nervenzellen anders funktionierten. Auch ihr Verhalten änderte sich: Am Ende des Experiments verbrachten die Männchen zum Beispiel mehr Zeit, den Weibchen hinterherzujagen, als ihre Ahnen.

Geschlechter unterschiedlich betroffen

Die weiblichen und männlichen Fruchtfliegen ändern demnach viele biologische Prozesse vom Stoffwechsel bis zum Verhalten unterschiedlich, um mit Umweltveränderungen zurechtzukommen. Das zeige, dass die beiden Geschlechter nicht in gleichem Ausmaß davon betroffen sind.

Ihre Ergebnisse hätten auch für die menschliche Medizin Relevanz, meinen die Forscher. Insbesondere wo Umweltstressfaktoren wie klimatische Bedingungen aber auch Ernährung eine Rolle spielen, sollte man die "gewaltigen Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern" mehr berücksichtigen. (red, APA, 13.3.2020)