Für ihren neuen Kinofilm "Rettet das Dorf" hat Teresa Distelberger Menschen in ganz Österreich besucht, die das Dorf noch nicht aufgegeben haben. Im Interview erzählt sie von ihren Erkenntnissen.

STANDARD: Was macht ein Dorf aus?

Distelberger: Menschen, die es mitgestalten wollen und können – etwa eine Landärztin, die eine Praxis aufrechterhalten will, oder Menschen, die im Dorf unternehmerisch tätig sind. Außerdem braucht es eine Schule, Nahversorgung, ein Wirtshaus und eine Politik, die einen guten Bezug hat zu dem Raum, für den sie Entscheidungen trifft.

STANDARD: Warum wollen die Leute weg?

Distelberger: Der häufigste Grund ist das Fehlen von beruflichen Möglichkeiten oder einer Ausbildung. Gerade junge Leute gehen nach der Schule deshalb oft in die Stadt, das ist ja auch gut und wichtig so. Danach stellt sich die Frage, ob es in ihrem Heimatort Möglichkeiten für sie gibt, ihr Leben zu gestalten.

Der Film "Rettet das Dorf" von Teresa Distelberger ist ab 28. Februar im Kino zu sehen. Darin werden zentrale Personen gezeigt, die in einem Dorf "zur Lebendigkeit beitragen", sagt Distelberger – etwa eine Lehrerin, eine Nahversorgerin, eine Ärztin und ein Unternehmer.
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STANDARD: Was macht ein Dorf attraktiv?

Distelberger: Oft ist es die Natur, dass es auf dem Land mehr Raum gibt, sich zu entwickeln.

STANDARD: Wie fühlen sich die, die zurückbleiben?

Distelberger: Das ist ganz unterschiedlich und kommt ganz auf die Lebenshaltung an. Manche resignieren, fühlen sich machtlos und zurückgelassen. Andere antworten mit Kreativität und neuen Ideen. In der Stanz im Mürztal, die auch im Film vorkommt, wurde ein Elektrotaxiverein gegründet. 40 Leute wechseln sich ab, jeder fährt einen Tag lang mit dem Auto durch das Tal. Dadurch können ältere Menschen zum Arzt fahren oder ins Kaffeehaus.

STANDARD: Gibt es überall dieselben Probleme?

Distelberger: Nein, jedes Dorf ist individuell. Orte in der Nähe einer Stadt haben meist starken Zuzug. Dennoch sind sie tagsüber oft wie ausgestorben, weil die Menschen woanders arbeiten. Das sind sogenannte Schlafdörfer. Tourismusdörfer haben hingegen das Problem, dass die Jungen nicht im Ort bleiben können, weil die Immobilienpreise durch internationale Spekulationen und Zweitwohnsitze so hoch sind. Und dann gibt es jene Dörfer ohne Tourismus, die weiter weg von der nächsten größeren Stadt liegen, etwa im Waldviertel oder im Südburgenland. Da gibt es größere Probleme in Bezug auf Abwanderung, Überalterung, niedrige Geburtenraten und mangelnde Arbeitsplätze.

"Blinde Ausladen und bröckelnde Fassaden machen einen trostlosen Eindruck, das wirkt sich auf das Selbstbewusstsein der Menschen im Ort aus."
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STANDARD: Wie tragen der Leerstand im Zentrum und die Verlagerungen auf die grüne Wiese zum Dorfsterben bei?

Distelberger: Sehr. Blinde Auslagen und bröckelnde Fassaden machen einen trostlosen Eindruck, das wirkt sich auch auf das Selbstbewusstsein der Menschen im Ort aus.

STANDARD: Welche Rolle spielt Wohnraum?

Distelberger: Auf dem Land gibt es oft das Problem, dass junge Menschen bei den Eltern ausziehen wollen, aber keinen passenden Wohnraum finden. Dann fällt es gleich noch leichter, in die Stadt zu gehen.

STANDARD: In Ihrem Film ist die Rede von einem Wettbewerb um jene, die aus der Stadt zurück aufs Land ziehen. Sind sie überall willkommen?

Regisseurin Teresa Distelberger hat für ihren Film zahlreiche Dörfer besucht.
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Distelberger: Nein, das glaube ich nicht. Es ist ein ziemlich neuer Zugang, das so als Wettbewerb zu denken. Viele Gemeinden haben noch nicht erkannt, dass es wichtig ist, sich für die zu öffnen, die aus der Stadt kommen. Es gibt immer noch den Glauben, dass diejenigen das Dorf erhalten können, die dort aufgewachsen sind. Zuzügler werden dorthin ziehen, wo es Initiativen gibt, Nahversorgung ebenso wie Lösungsansätze für Probleme. Und natürlich dorthin, wo sie sich willkommen fühlen. Also wo es Neuen gegenüber ein Wohlwollen gibt. Diese Offenheit ist eine Sache, die jeder mitgestalten kann.

STANDARD: Gibt es neue Chancen durch die Digitalisierung?

Distelberger: Ja, aber ich glaube, da stehen wir noch am Beginn. Im Zuge des Films hat sich der Chef einer Wiener IT-Firma bei mir gemeldet und mir erzählt, dass ein Programmierer für ihn arbeitet, der aber im Waldviertel sitzt. So kann er weiter bei der freiwilligen Feuerwehr sein und Teil seines Dorflebens bleiben. Fernarbeitsplätze machen so etwas möglich. Generell ist wichtig, es nicht als Entweder-oder zu denken. Denn es wird immer häufiger vorkommen, dass Menschen in der Stadt und auf dem Land gleichzeitig leben. (Bernadette Redl, 29.2.2020)