Im Zentrum des Ophiuchus-Galaxienhaufens spielen sich rätselhafte Szenen ab.
Foto: Nasa

In etwa 390 Millionen Lichtjahren Entfernung haben Astronomen die Folgen eines beispiellosen kosmischen Ereignisses beobachtet: einer Explosion, die alle bisherigen Energie-Eruptionen weit in den Schatten stellt. Das Ausmaß des Phänomens passt ganz und gar nicht zu den gültigen Theorien, eigentlich sollte so etwas nach Ansicht der Astrophysiker sogar unmöglich sein. Als Urheber der Ausnahmeerscheinung vermuten die Wissenschafter ein supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie.

Mysteriöse Plasma-Verdrängung

Ort des Geschehens ist der Ophiuchus-Supercluster, ein gigantischer Galaxienhaufen, der als zweithellste Röntgenquelle am Himmel bekannt ist. Galaxien-Cluster gehören zu den größten Strukturen im Universum und enthalten häufig tausende einzelne Galaxien, Dunkle Materie und energiereiches intergalaktisches Plasma. Im Herzen des Ophiuchus-Galaxienhaufens haben Astronomen bereits 2016 mit dem Chandra-Röntgenobservatorium der Nasa eine Zone beobachtet, wo das Plasma verdrängt worden war. Das passiert unter anderem, wenn es im Kern einer aktiven Galaxie zu einer Eruption – einem sogenannten AGN-Ausbruch – kommt, der das heiße Gas in der Umgebung gleichsam verbläst.

Die Röntgenaufnahme des Chandra X-ray Observatory zeigt das Zentrum des Ophiuchus-Superclusters.
Foto: NASA/CXC/NRL/S

Die gewaltigen Dimensionen der Einbuchtung, die im Ophiuchus-Supercluster ins intergalaktische Medium geschlagen worden war, ließen die Wissenschafter jedoch ratlos zurück. "Um so eine Kaverne zu erzeugen, wären 5x1061 Erg an Energie nötig, das ist ein Vielfaches dessen, was man von den stärksten bisher bekannten AGN-Ausbrüchen kennt", meinen die Forscher um Simona Giacintucci vom Naval Research Laboratory in Washington, D.C. Eine solche AGN-Explosion wurde daher zunächst als Ursache ausgeschlossen.

"Eruption von beispiellosem Ausmaß"

Um dem Rätsel auf den Grund zu gehen, haben Giacintucci und ihre Kollegen die entsprechende Region im Ophiuchus-Cluster noch einmal genauer untersucht. Sie kombinierten dafür Daten von Chandra und dem XMM-Newton-Weltraumobservatorium der Esa mit Radiobeobachtungen des Murchison Widefield Array (MWA) in Australien und des Giant Metrewave Radio Telescope (GMRT) in Indien. Das bemerkenswerte Ergebnis: Sowohl die Radio- als auch die Röntgenbeobachtungen ließen als Ursache für die riesige Delle im All keinen anderen Schluss zu als einen AGN-Ausbruch. "Dort muss eine Eruption von beispiellosem Ausmaß stattgefunden haben", sagt Maxim Markevitch vom Goddard Space Flight Center der Nasa, Koautor der im "Astrophysical Journal" veröffentlichten Studie.

Solche Eruptionen gehen auf supermassereiche Schwarze Löcher in galaktischen Kernen zurück. Derartige Schwerkraftmonster saugen nicht nur viel Materie auf, sie stoßen auch eine erstaunliche Menge an Strahlung und Teilchen aus. Das geschieht, wenn sich um das Schwarze Loch eine Plasmascheibe ansammelt. Überschreitet das einströmende heiße Gas eine bestimmte Menge, wird ein Teil davon nicht vom Schwarzen Loch verschluckt, sondern zu seinen Polen umgeleitet, wo es in Form von schmalen Jets mit annähernd Lichtgeschwindigkeit ins All hinausgeblasen wird.

Video: die größte je beobachtete Explosion und ihre Folgen.
Chandra X-ray Observatory

Großer Happen

Im konkreten Fall dürfte ein Schwarzes Loch mit einer Masse von rund zehn Millionen Sonnenmassen im Inneren einer zentralen Ophiuchus-Cluster-Galaxie verantwortlich sein. Wahrscheinlich, so die Forscher, hat dieses Schwerkraftmonster in kurzer Zeit einen größeren Happen verschluckt, vielleicht als eine Galaxie in die Kernregion des Ophiuchus-Superclusters fiel.

Einer der beiden freiwerdenden Energiejets dürfte dabei auf eine dichtere Materieansammlung getroffen sein, worauf sich im Verlauf von etwa 240 Millionen Jahren eine Röntgen- und Radioblase im intergalaktischen Medium ausdehnte, in die mittlerweile 15 Milchstraßen nebeneinander passen würden. Die dafür nötige Energiemenge ist etwa fünfmal so hoch wie beim bisherigen Rekordhalter, einem Ereignis im Galaxienhaufen MS 0735.6 + 7421, und hunderttausendfach größer als bei typischen Clustern.

Dass das Zentrum des Ophiuchus-Galaxienhaufens von dem enormen AGN-Ausbruch weitgehend unbeschadet geblieben ist, stellt die Wissenschafter vor ein Rätsel. "Es gibt Cluster, deren Kernbereiche von solchen Ausbrüchen regelrecht in Stücke gerissen wurden", erklären die Forscher. (tberg, 28.2.2020)