Im Inneren des Bundeswirtschaftskammergebäudes wird kräftig umgebaut für die rund 40 Mitarbeiter des "Data & Media Center".

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Wien – Zumindest bei der Kammerwahl muss der Präsident keine negativen Folgen seines nicht allseits goutierten Opernballauftritts fürchten. Denn Harald Mahrer kandidiert bei der am Montag beginnenden Urwahl für das Wirtschaftsparlament gar nicht. Präsident der Bundeswirtschaftskammer wird er dank Mehrheit des ÖVP-Wirtschaftsbundes trotzdem. Denn das unternehmerische Wahlvolk wählt bis 5. März lediglich seine Standesvertretung in Fachgruppen, Branchen und Sparten im jeweiligen Bundesland. Auf Basis dieser Wahlergebnisse wird dann die Besetzung von Landes- und Bundesgremien bis hinauf zum Präsidenten hochgerechnet.

Nicht nachvollziehbar

Nachvollziehbar ist das Ergebnis, das im Ergebnis seit Jahrzehnten gleich ist, nicht einmal für Auskenner. Der auf Parteienforschung spezialisierte Politologe Hubert Sickinger bezeichnet das Kammerwahlsystem in Procedere und Transparenz als "seltsam", es sei vergleichbar mit dem Kurienwahlsystem. "Es ist intransparent, keine Frage", sagt Sickinger, "dient aber dazu, dass ein Industriekonzern nicht von der Masse an Ein-Personen-Unternehmen overruled wird." Das wird über einen Hebel sichergestellt: Die Stimmen der Unternehmen sind nicht gleich viel wert. Wirtschaftlich bedeutende Unternehmen und Branchen werden stärker gewichtet, was Industrie und Banken/Versicherungen unter den sieben Bundessparten eine Vormachtstellung garantiert.

Stärkste Fraktion gestärkt

Darüber hinaus ist das WKO-Wahlrecht auf die Interessen der stärksten Fraktion zugeschnitten, diesfalls des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Er profitiert insbesondere von den Überhang- bzw. Reststimmenmandaten aus der unteren Verbandshierarchie, die ihm zugeschlagen werden. Für Freie Wirtschaft, Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, Grüne Wirtschaft und Unos, wie die unternehmerischen Neos heißen, bleibt da nicht viel. Namens- oder sonstige Listen haben de facto kaum Chancen zu reüssieren bei den rund 540.000 Unternehmerinnen und Unternehmern.

Muss persönlich nicht um einen Listenplatz zittern, um Präsident der Bundeswirtschaftskammer zu bleiben: Harald Mahrer.
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Für Funktionäre und Laien sind die Wahlergebnisse gleichermaßen nicht nachvollziehbar, "Schmuddeldemokratie ärgster Ausprägung" nennt es die Chefin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth. Nicht einmal alle Wahlvorschläge und -listen würden veröffentlicht. Gibt es für Präsident und Vizepräsident nur einen Vorschlag (in der Regel des Wirtschaftsbundes), entfällt die Wahl überhaupt. "Friedenswahl" nennt Sickinger das: Es findet formal gar keine Wahl mehr statt, weil sich die wahlwerbenden Gruppen bei Präsident, Stellvertretern und Präsidium auf sogenannte Proporzlisten geeinigt haben. Auch die Fraktionsfinanzierung ist nicht im Wirtschaftskammergesetz festgelegt, sie wird in Verhandlung mit den Landeskammerpräsidenten fixiert. "Sozialpartnerschaft durch Einbindung, bringt es Sickinger auf den Punkt, oder anders ausgedrückt: "Eine dominante Fraktion gewährt Geld gegen Wohlverhalten." Ins Präsidium kommt eine Fraktion nur mit ausreichend Stimmen und Wahlvorschlägen. Kooptiertes Mitglied oder Vizepräsident zu werden ist deutlich einfacher, da wirken Zusammenarbeit und Wohlwollen des Präsidenten Wunder – wie auch bei der Funktionsentschädigung.

Schafft Platz und Geld für Öffentlichkeitsarbeit und Bewegtbilder: Kammerpräsident Harald Mahrer.
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Einzige Bedrohung für diese Art Feudalsystem: die Öffentlichkeit. Diesbezüglich weht dem mit Mandaten reichlich bedachten Multifunktionär (Nationalbank, Wirtschaftsforschungsinstitut, Wirtschaftsbund, Sozialversicherung, Sporthilfe) Mahrer nicht erst seit dem Opernball eine eher steife Brise entgegen. Da scheint im Moment auch die professionelle Öffentlichkeitsarbeit des einst hauptberuflichen PR-Profis nicht viel auszurichten. Dabei scheut der frühere Staatssekretär und Ex-Wirtschaftsminister auch in der Wirtschaftskammer weder Mühen noch Kosten. Auf 5,8 Millionen Euro beläuft sich die Kostenschätzung für die Errichtung des Data & Media Center, das Mahrer im zweiten Stock des Wirtschaftskammergebäudes in der Wiedner Hauptstraße in Wien auf 1056 Quadratmetern errichten lässt.

Millionen für Mediencenter

Davon entfallen zwei Drittel auf die Baukosten, der Rest auf Planung, IT, Möblierung und Medientechnik, wie Präsident Mahrer auf Anfrage von Grünen-Funktionärin Jungwirth im Vorjahr mitteilte. Neben Räumlichkeiten für die fusionierten Abteilungen Presse, Marketing und Kommunikationsmanagement sowie Statistik entsteht dort ein 90 Quadratmeter großer "Medienraum für professionelle Bewegtbild-Produktion". Den Vorwurf, das sei Verschwendung von Pflichtmitgliedsbeiträgen, lässt Mahrer nicht gelten: "Die Baukosten von rund 2400 Euro netto pro Quadratmeter (ohne Valorisierung und Reserve) liegen damit etwas unter den vergleichbaren Baukosten, die derzeit am Markt veranschlagt werden", schreibt Mahrer mit Verweis auf die bei Beschluss im Juni 2019 veranschlagten Marktpreise von 2500 Euro netto.

Außerdem würde die Bundeswirtschaftskammer im Gegenzug jährlich 125.000 Euro an Mieten und Betriebskosten sparen, weil die bis dato extern auf 450 Quadratmeter eingemietete Statistik-Abteilung in die Kammerzentrale in die Wiedner Hauptstraße zurück übersiedele. Außerdem fielen Abteilungsleiterposten weg. Die Personalkosten der knapp 38 Vollzeitstellen dieser neuen Medienabteilung taxierte Mahrer für 2019 auf 3,4 Millionen Euro. (Luise Ungerboeck, 29.2.2020)