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Umfragen zufolge dürfte der aktuellen Drei-Parteien-Koalition die Abwahl drohen.

Foto: Reuters

Bratislava – Bei der Parlamentswahl in der Slowakei am heutigen Samstag scheint sich eine rekordverdächtige Wahlbeteiligung abzuzeichnen. Bereits am Vormittag bildeten sich in einzelnen Wahllokalen in allen Landesteilen lange Schlangen, Wähler mussten sich gedulden, um ihre Stimme abgeben zu können.

Auf das Wahlergebnis werden die Slowaken auch länger als geplant warten müssen. Das Wahlmoratorium wird heute Abend um eine Stunde verlängert und bis 23.00 Uhr in Kraft bleiben, bestätigte der Chef der Staatlichen Wahlkommission, Eduard Barany.

Zwei Todesfälle

Der Grund ist, dass noch vor Wahlbeginn im südslowakischen Velky Krtis eine Frau gestorben ist, die Mitglied der dortigen Wahlkommission sein sollte. Die Abstimmung im betroffenen Wahllokal begann daher eine Stunde später, wie es hieß. Schon zuvor wurde bekannt, dass in einem Wahllokal im mittelslowakischen Banska Bystrica ein 79-jähriger Mann kollabierte, der gerade wählen wollte. Herbeigerufenen Rettungskräften ist es nicht mehr gelungen ihn zu retten.

Das für die Stimmenauszählung zuständige Statistikamt wird somit die ersten Teilergebnisse, die nach Wahlschluss durchgehend auf seiner Webseite veröffentlicht werden, erst ab 23.00 Uhr bekannt geben. Ebenso werden sich die Wahlstudios der Medien im Land um eine Stunde verspäten, samt der Veröffentlichung von Exit Polls, die zwei große TV-Sender angekündigt hatten.

Großes Interesse

"In diesem Moment wird wirklich über die zukünftige Ausrichtung dieses Landes entschieden. Ich denke die meisten wollen, dass sich unser Land wieder voran bewegt. Das ist auch daran zu sehen, wie viele Menschen hier heute wählen," erklärte der 24-jährige Janis in einem Wahllokal in Bratislava.

Zumindest in der Hauptstadt lautete der allgemeine Tenor unter den Wählern "wir wollen Veränderung, eine politische Kehrtwende", was mit dem Journalistenmord vor zwei Jahren und den nachfolgenden Korruptionsenthüllungen im Zusammenhang steht. In ländlichen Regionen dürften hingegen die bisherigen Regierungsparteien weiterhin auf Unterstützung zählen. Das Wahlergebnis wird daher mit deutlich erhöhter Spannung erwartet.

Erhöhtes Interesse der Wähler bemerkten bei der Stimmabgabe auch mehrere Spitzenpolitiker. "Heute ist ein Tag der Demokratie, eine Errungenschaft der Freiheit. Die Menschen äußern öffentlich ihre Ansicht. Ich war sehr erfreut, dass ich in einer langen Schlange (im Wahllokal) stehen musste. Das bedeutet, dass das Interesse an der Wahl sehr groß ist," erklärte Ministerpräsident und Spitzenkandidat der stärksten Regierungspartei Smer (Richtung), Peter Pellegrini, im mittelslowakischen Banska Bystrica.

Wichtige Wahl

Seine persönlichen Erwartungen wollte er hingegen nicht konkretisieren. "Wir Politiker können jetzt nichts mehr tun, nur demütig das Ergebnis abwarten und dieses dann auch mit Demut annehmen. Denn heute entscheidet der Wille des Volkes und niemand anderer," meinte Pellegrini. Laut Umfragen muss seine Partei mit dem schlechtesten Ergebnis seit Jahren rechnen.

Präsidentin Zuzana Caputova wies bei der Stimmenabgabe in ihrer Heimatstadt Pezinok bei Bratislava erneut auf die Bedeutung des heutigen Urnengangs hin. "Ich halte es für einen sehr wichtigen Schritt in der Entwicklung des Landes", meinte die Staatschefin. Es sei extrem wichtig, dass die Bürger mitentscheiden, "wie sich unser Land weiter entwickeln wird."

Igor Matovic, Parteichef der Gewöhnlichen Menschen (Olano), die laut Umfragen die besten Aussichten auf einen Wahlsieg haben, zeigte sich vom großen Wählerinteresse begeistert. "Mein Ziel war es, den schlafenden Drachen zu wecken – den Nichtwähler. Es gibt zwei Millionen Menschen im Land, die Vertrauen in den Staat verloren hatten und Politik für ein Launenspiel der Mächtigen hielten", meinte Matovic, der selbst im westslowakischen Trnava gewählt hatte. Er glaube fest daran, dass gerade diese Menschen die heutige Abstimmung entscheiden werden.

Ministerpräsident Pellegrini hatte nach der Stimmabgabe noch auf eine ganz besondere Symbolik des Wahltags hingewiesen. "Vor genau 100 Jahren (am 29.2.1920) wurde die Novellierung der tschechoslowakischen Verfassung angenommen, die im Wahlrecht alle gleichgestellt hat. Seit 100 Jahren können auch Frauen wählen und gewählt werden. Vielleicht ist es wichtig, auch daran zu erinnern, dass es nicht immer automatisch war, dass Frauen ein Wahlrecht hatten und sich zu öffentlichen Angelegenheiten äußern durften", sagte Pellegrini. (APA, 29.2.2020)