Hauptgewinner des Wahlsamstags ist laut Exit Polls die Bewegung Ol'ano von Igor Matovič.

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Der ehemalige Unternehmer Igor Matovič sprach bei der Wahlfeier zu seinen Anhängern.

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Die Parlamentswahl in der Slowakei hat starke Verluste für die linkspopulistische Regierungspartei Smer gebracht. Die von Expremier Robert Fico angeführte und lange Jahre tonangebende Kraft stürzte auf etwa 18,3 Prozent ab, im Vergleich zur letzten Wahl vor vier Jahren ist das ein Minus von mehr als zehn Prozentpunkten. Hauptgewinner des Wahlsamstags ist die Bewegung Ol'ano. Sie kommt auf 25 Prozent (plus 14) und verdrängt die Smer damit von Platz eins.

Ol'ano ist die Abkürzung für Gewöhnliche Menschen und unabhängige Persönlichkeiten. Die vom ehemaligen Unternehmer Igor Matovič angeführte Gruppierung ist bereits seit zwei Legislaturperioden im Parlament vertreten, war bisher aber stets in Opposition. Matovič selbst gilt als Konservativer. Seiner bunt zusammengewürfelten Bewegung wird aber häufig vorgeworfen, keine klare ideologische Ausrichtung zu haben und damit ein unberechenbarer Faktor in der slowakischen Politik zu sein.

Wechselstimmung genutzt

Offenbar jedoch ist es Matovič mit seiner scharfen Antikorruptionsrhetorik am besten gelungen, die Wechselstimmung im Land für sich zu nutzen. Zwei Jahre nach dem Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová war der Wahlkampf stark von den bisherigen Ermittlungen geprägt. Auch der derzeit laufende Prozess gegen den Hauptverdächtigen, den umstrittenen Geschäftsmann Marian Kočner, und mehrere Mitangeklagte brachte Details über ein Korruptionsnetzwerk ans Tageslicht, das bis in höchste Regierungskreise reichte und die Smer für viele unwählbar gemacht hat.

Der Ruf nach Veränderung war bereits unmittelbar nach dem Mord im Februar 2018 laut geworden. Die spontan entstandene Bürgerbewegung Für eine anständige Slowakei hatte damals die größten Kundgebungen seit der Wende des Jahres 1989 organisiert. Robert Fico trat binnen weniger Wochen als Premierminister zurück, ebenso sein Innenminister Robert Kaliňák. Regierungschef wurde der Smer-Politiker Peter Pellegrini. Kritiker sahen diesen aber stets als Marionette von Fico, der weiterhin Parteichef blieb.

Den Absturz der Smer jedenfalls konnte dieser Schachzug nicht stoppen, bis zuletzt fand die Partei kein probates Mittel zur Verhinderung des sich abzeichnenden Wahldebakels. Wenig erfreulich ist das Ergebnis auch für ihre bisherigen Koalitionspartner, die Slowakische Nationalpartei (SNS) und die liberale Most-Híd, die auch um Stimmen der ungarischen Minderheit gebuhlt hatte. Die Wählerinnen und Wähler haben auch sie abgestraft, beide Parteien haben den Wiedereinzug ins Parlament klar verfehlt.

Liberales Lager geteilt

Dem noch jungen liberalen Bündnis bestehend aus der sozialliberalen Partei Progressive Slowakei (PS) und ihrem etwas konservativeren Partner Spolu, zu Deutsch Gemeinsam, wurde offenbar die für Wahlkoalitionen angesetzte Hürde für den Einzug ins Parlament zum Verhängnis. Einzelparteien brauchen dazu mindestens fünf Prozent, Wahlkoalitionen sieben. PS/Spolu landeten bei lediglich bei 6,96 Prozent. Geschafft hat es hingegen der liberale Expräsident Andrej Kiska mit seiner Partei Za ľudí (Für die Menschen). Er erzielte etwa 5,8 Prozent, was in seinem Fall für den Einzug ins Parlament knapp reicht.

Dabei waren viele Beobachter vor der Wahl der Ansicht gewesen, dass beide Gruppierungen, die ein sehr ähnliches Wählersegment ansprechen, bei einem gemeinsam Antreten sogar im Rennen um Platz eins hätten mitmischen können. Immerhin war die PS im Vorjahr stärkste Partei bei der EU-Wahl geworden, die von ihr unterstützte Kandidatin Zuzana Čaputová hatte kurz zuvor die Präsidentschaftswahl für sich entschieden. So aber konnte Andrej Kiska mit seiner neu gegründeten Partei der PS offensichtlich Stimmen wegnehmen. Für deren meist junge, urbane Wählerinnen und Wähler, die gehofft hatten, dass die Wechselstimmung im Land der PS auch bei der Parlamentswahl Auftrieb gibt, ist das Ergebnis eine herbe Enttäuschung.

An der dritten Stelle nach Ol'ano und Smer konnte sich die populistische Formation Sme rodina (Wir sind Familie) positionieren. Sie gilt als sozialkonservativ, migrationsfeindlich und EU-skeptisch und kommt auf 8,2 Prozent. Etwas hinter den eigenen Erwartungen zurück blieb die rechtsradikale Volkspartei Unsere Slowakei (ĽSNS). Dennoch schaffte sie es mit knapp unter acht Prozent auf Platz vier. Die wirtschaftsliberale Partei Freiheit und Solidarität (SaS) kommt mit 6,2 Prozent ebenfalls wieder ins Parlament.

Präsidentin Čaputová am Zug

Nach der Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses liegt der Ball bei Präsidentin Čaputová. Zur Frage, ob sie den Chef der stimmenstärksten Partei automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen werde, hatte sie sich vor der Wahl bedeckt gehalten. Wahlsieger Igor Matovič (Ol'ano) müsste für eine Koalition mindestens zwei der potentiellen Partner Sme rodina, SaS und Za ľudí an Bord holen. (Gerald Schubert, 1.3.2020)