Hinterstoder – Der alpine Skiweltcup ist in die Zielgerade eingebogen, die letzten Meter werden jedoch von Hindernissen gesäumt, die aktuell nicht einmal zur Gänze erkennbar sind und den Wettstreit noch vor der Ziellinie zum Erliegen bringen könnten. So schwebt etwa die Absage des Weltcupfinales in Cortina d’Ampezzo im Raum. Grund dafür ist das Coronavirus und dessen Auswirkungen. Vertreter der nationalen Verbände fordern den Weltverband (Fis) auf, Verantwortung zu übernehmen und eine Entscheidung zu fällen, wie es weitergehen soll.

Die Speedennen in Kvitfjell sollen kommendes Wochenende steigen. Ab Montag werden die Teams jedenfalls nach Norwegen aufbrechen. Die Fis wird aber noch am Montagnachmittag in einer Video-Konferenz die weitere Vorgangsweise besprechen. Ob es noch am Montag eine offizielle Stellungnahme geben wird, war vorerst nicht klar.

ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel plädiert für flotte Absagen.
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Deutschlands Alpinchef Wolfgang Maier und Peter Schröcksnadel forderten die Fis im Vorfeld zum Handeln auf. "Ob es klug ist, in der Situation so zu tun, als ob nichts wäre, bezweifle ich. Wir sollten dem ins Auge sehen und gewisse Veranstaltungen absagen", sagt der Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), der sich weniger deswegen sorgt, dass Athleten erkranken könnten, als deswegen, dass ein Team etwa auf Reisen zu einem Veranstaltungsort mit Infizierten in Kontakt kommen und so lange unter Quarantäne gestellt werden könnte. Die Fis solle entscheiden, ob gefahren wird. Oder unter welchen Umständen gefahren werden kann, sagte Schröcksnadel. ÖSV-Sportdirektor Toni Giger will "die Situation jeden Tag von Experten neu bewerten lassen und je nach Entwicklung der Lage reagieren". Athleten stehe es aber natürlich frei, auch eigenständig zu handeln.

Ampel weiter grün

Fis-Chefrenndirektor Markus Waldner prangert an, dass niemand die Courage habe, eine Entscheidung zu treffen. "Um das Risiko komplett zu minimieren, muss man die Maschine stoppen." Die Fis-Führung mit dem Council – bestehend aus zwölf Vertretern nationaler Verbände – müsse entscheiden. Weil aber keine Signale kommen, "fahren wir weiter". Waldner bedauert, dass es auch vonseiten der Nationen keine klare Position gibt, weiß aber auch, dass letztlich die Gesundheitsbehörden entscheiden müssen. Herrscht kein erhöhtes Risiko, wie aktuell in Hinterstoder, "läuft alles ganz normal über die Bühne". Vonseiten der Athleten gibt es laut Waldner überhaupt keine Bedenken. "Sie sind aufs Rennfahren eingestellt, das ist ihr Job."

Renndirektor Markus Waldner mahnt Courage ein.
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Der Weltverband gab indes auf Anfrage der Austria Presse Agentur bekannt, die Situation und die Empfehlungen der WHO zu beobachten und in Kontakt mit den lokalen Organisationen und Behörden zu stehen. Man wartet weiter ab. Etwaige Änderungen im Wettkampfkalender wolle man umgehend mitteilen.

Der Herrentross zieht nun nach Kvitfjell weiter, wo kommendes Wochenende Abfahrt und Super-G auf dem Programm stehen. Waldner hat ein Schreiben von den Veranstaltern in Kvitfjell erhalten, wonach Norwegen aktuell kein Gebiet mit erhöhtem Risiko sei und daher vorerst am Programm festgehalten werden könne. Ähnlich wie in Hinterstoder setzt man dort auf die Einschätzungen der lokalen Gesundheitsbehörden.

Die parallel angesetzten Damenrennen in Ofterschwang wurden wegen Schneemangels schon ersatzlos gestrichen. Danach sind noch Technikrennen für die Herren in Kranjska Gora und für die Damen in Åre angesetzt, bevor das Weltcupfinale an die Reihe käme.

Großbaustelle Cortina d’Ampezzo

Doch Cortina d’Ampezzo hat mit mehreren Baustellen zu kämpfen, sodass eine Absage wahrscheinlich ist. Der Austragungsort der alpinen Ski-WM 2021 liegt in der Provinz Belluno der Region Venetien, die stark vom Coronavirus betroffen ist. Der Ausschluss des Publikums bei den Rennen ist bereits fix, ob es Fernsehübertragungen geben wird, ist fraglich, zumal sich TV-Rechteinhaber Infront und an der Organisation mitwirkende Firmen weigern sollen, ihre Zelte in den Dolomiten aufzuschlagen. Vereinzelt sollen bereits Mitarbeiter unter Quarantäne stehen. "Ohne Fernsehen kein Weltcupfinale", sagt Waldner. Am Montag werde man mehr wissen. Die Fis hat jedenfalls für heute ein Kommuniqué über die weitere Vorgehensweise angekündigt.

Alternative gesucht

Schröcksnadel ist bereit, Feuerwehrmann zu spielen. "Wir überlegen, ob wir es übernehmen könnten, aber ich glaube, es überschreitet unsere Möglichkeiten." Organisatorisch wäre es kein Problem, aber die Kosten sind hoch. "Wir können das Geld nicht vom Sport nehmen und in die Veranstaltung stecken. Wir wollen mit dem Sport für den Sport Geld verdienen, aber nicht mit Veranstaltungen dem Sport Geld wegnehmen."

Der ÖSV-Präsident, selbst Mitglied im Fis-Council, wünscht sich eine "Entscheidung von oben", von der Führungsebene um den scheidenden Präsidenten Gian Franco Kasper. "Venetien wurde von den Italienern zum Sperrgebiet erklärt. Man kann das Finale nicht in Cortina fahren." (Thomas Hirner, 1.3.2020)