Am Wochenende kamen deutlich mehr Menschen auf griechischen Inseln an als in den vergangenen Tagen.

Foto: EPA / Orestis Panagitou

Die EU-Staaten haben am Sonntag ihre Bemühungen verstärkt, die Grenzüberquerung Tausender Flüchtlinge aus der Türkei abzuwenden. Die EU-Grenzschutzagentur schickt auf Wunsch von Griechenland zusätzliche Beamte ins Land. EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas forderte eine rasche Sondersitzung der EU-Innenminister. Der österreichische Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bot Athen ebenfalls die Entsendung weiterer Polizisten zur Unterstützung vor Ort an.

Derzeit seien rund 18.000 Menschen aufgrund von "falschen Versprechungen" an der türkisch-griechischen Grenze. Es sei "bedenklich, wenn mit dem Schicksal von Menschen Politik gemacht wird", sagte der Innenminister in Richtung der Türkei in der "ZiB2". Jetzt sei es wichtig, dass der Migrationspakt mit Ankara wiederbelebt und die EU-Außengrenze streng kontrolliert werde. Die Frage, ob man in Österreich ebenso wie in Griechenland mit Wasserwerfern gegen Flüchtlinge vorgehen werde, verneinte Nehammer nicht: Sollten Migranten bis zur österreichischen Grenze kommen, seien diese anzuhalten, betonte er.

Dass es wie im Koalitionspakt vereinbart, bei einem neuen Flüchtlingsansturm zu einem koalitionsfreien Raum kommen könne, sei nur vorgesehen, wenn man zu keiner Einigung komme. Dies sei aber nicht der Fall, so Nehammer.

Griechenland setzt Tränengas gegen Flüchtlinge ein

Zuvor war es am Wochenende beim Grenzübergang Kastanies zu Zusammenstößen zwischen Migranten, die auf illegale Weise von der Türkei nach Griechenland gelangen wollten, und der Polizei gekommen. Die griechischen Grenzbeamten setzten Tränengas ein. Manche Migranten bewarfen die Grenzpolizei mit Steinen, andere schnitten den Zaun auf.

Laut dem griechischen Außenministerium konnten am Samstag und am Sonntag 10.000 Migranten und Flüchtlinge daran gehindert werden, illegal die Grenzen zu übertreten. 73 Personen wurden festgenommen. Beim Grenzübergang Kastanies befanden sich am Sonntag etwa 3000 Migranten. In der Grenzstadt Orestiada waren die türkischen Beamten "verschwunden". Der Sprecher der griechischen Regierung Stelios Petsas meinte, dass Griechenland "Ziel eines organisierten illegalen massenhaften Versuchs", die Grenzen zu verletzen, gewesen sei. Griechenland hat seine Grenze für all jene geschlossen, die keine Dokumente bei sich führen.

"Nicht verantwortlich"

Premier Kyriakos Mitsotakis betonte, dass keine illegalen Grenzübertritte toleriert würden. "Griechenland ist nicht für die tragischen Ereignisse in Syrien verantwortlich und wird nicht die Konsequenzen der Entscheidungen anderer erleiden", stellte er klar. Premier Mitsotakis ist in ständigem Kontakt mit anderen wichtigen EU-Staaten und EU-Institutionen. Griechenland hat indes gegen eine Nato-Resolution, laut der der Türkei Unterstützung ausgesprochen wurde, weil ihre Truppen in Idlib unter Beschuss kamen, ein Veto eingelegt.

Die griechischen Grenzpatrouillen wurden sowohl an Land als auch auf See verstärkt. Am Grenzfluss Evros wurden Stacheldrahtrollen ausgelegt. Beamte aus ganz Griechenland wurden an die türkisch-griechische Grenze gebracht. 52 Boote der Küstenwache und der Marine patrouillieren nun auf der Ägäis. Die Ankünfte auf den griechischen Inseln stiegen dennoch am Sonntag stark an. Innerhalb von nur vier Stunden kamen 400 Migranten auf Lesbos an. Denn die türkische Küstenwache sorgt nicht mehr dafür, dass die Schlauchboote am Ablegen gehindert werden. Auf Lesbos stieg daher die Nervosität der Anwohner. Einige hinderten Migranten dar an, aus ihren Booten zu steigen, andere stoppten Versuche, weitere Menschen in das überfüllte Lager Moria zu bringen.

Mehr Menschen auf dem Seeweg

Heuer kamen bisher 6127 Migranten und Flüchtlinge nach Griechenland, davon kamen 4714 über den Seeweg auf die ostägäischen Inseln. Die Landgrenze zur Türkei ist viel leichter zu kontrollieren.

Dort befindet sich auch eine riesige Grenzanlage. Zurzeit werden über 42.000 Migranten und Flüchtlinge auf den Inseln gezählt – die allermeisten auf Lesbos. Die Mehrheit der Menschen kommt aus Afghanistan (49 Prozent), 19 Prozent von ihnen kommen aus Syrien, sechs Prozent aus Somalia. 33 Prozent der dort lebenden Menschen sind minderjährig.

Sowohl an der griechisch-türkischen als auch an der bulgarisch-türkischen Grenze gingen Migranten und Flüchtlinge entlang, um nach Möglichkeiten zu suchen, die Grenze zu überqueren. Sie versuchen, den Grenzfluss Evros zu bezwingen. Auch in Bulgarien wurden 1000 Sicherheitsleute an die Grenze zur Türkei geschickt. (Adelheid Wölfl, red, 1.3.2020)