Der amtierende Premier Benjamin Netanjahu und seine Ehefrau Sara. Er erklärte sich schon als Sieger der Wahl.

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Die politische Blockade in Israel scheint kein Ende nehmen zu wollen: Nach der dritten Parlamentswahl innerhalb eines Jahres finden sich die Parteien in einer ähnlichen Lage wieder wie im April 2019. Erneut geht der rechts-religiöse Parteienblock, der den amtierenden Premierminister Benjamin Netanjahu unterstützt, als stärkstes Lager aus einer Wahl hervor – und verfehlt mit 59 Mandaten doch die nötige Mehrheit von 61 zur Regierungsbildung.

Nach der Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen am Dienstagnachmittag erreichte die rechtskonservative Likud-Partei Netanjahus 36 Mandate – vier mehr als das zentristische Blau-Weiß-Bündnis unter der Führung des ehemaligen Armeechefs Benny Gantz. "Wir schreiben Geschichte", triumphierte Netanjahu auf Twitter. Doch zur Regierungsbildung müsste er eine Partei aus dem gegnerischen Lager an sich binden. Genau daran ist er schon zweimal gescheitert.

Anklagen gegen Premier

"Wir stehen am selben Punkt wie nach den letzten beiden Runden", sagt der Politikwissenschafter Maoz Rosenthal von der Privatuniversität Interdisciplinary Center Herzliya. "Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass wir nun einen Premierminister haben, dem ein Gerichtsprozess bevorsteht." Netanjahu muss sich einer Anklage wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit stellen, der Prozess soll Mitte März beginnen. Diese Aussicht könnte die Koalitionsverhandlungen noch erschweren. Denn vergangene Gespräche zwischen Gantz und Netanjahu scheiterten unter anderem daran, dass Gantz keinem Premier dienen wollte, dem eine Anklage droht. Mit dem bevorstehenden Prozess hat sich die juristische Lage Netanjahus noch zugespitzt.

Sollte sich Blau-Weiß einem Bündnis mit dem Likud verweigern, könnte Netanjahu versuchen, einzelne gegnerische Abgeordnete zum Überlaufen zu bewegen. Eine der Parteien, die das Blau-Weiß-Bündnis bilden, steht dem Likud inhaltlich nahe: Ihr Vorsitzender Moshe Ya’alon diente von 2013 bis 2016 als Verteidigungsminister unter Netanjahu.

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Herausforderer Benny Gantz und Amtsinhaber Benjamin Netanjahu.
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Alternativ könnte sich Avigdor Lieberman mit seiner rechts-säkularen Partei Israel Beitenu dem Netanjahu-Lager anschließen. Ideologisch steht er dem Premier nahe, seine Partei war fester Bestandteil früherer rechter Regierungen.

Doch Ende 2018 verließ Lieberman die damalige Koalition im Streit über die richtige Gaza-Politik und die Wehrdienstbefreiung ultraorthodoxer Männer, die er ablehnt. Sein persönliches Verhältnis zu Netanjahu beschreiben Insider als hoffnungslos zerrüttet; sein aggressiver Wahlkampf gegen die Privilegien der ultraorthodoxen Minderheit macht eine Zusammenarbeit mit deren politischen Vertretern, die Netanjahu unterstützen, schwer vorstellbar.

Am Dienstag deutete Lieberman jedoch an, notfalls mit jedem der beiden Lager zu koalieren, um eine vierte Wahl zu verhindern. Schlösse er sich Netanjahu an, bekäme Israel eine rechte Koalition mit bequemer Mehrheit – genau wie in den Jahren bis Ende 2018, als Lieberman mit seinem Ausstieg aus der Koalition die seitdem andauernde Krise auslöste.

Achtungserfolg für Araber

Gefeiert wurde das Wahlergebnis von der Vereinigten Liste, eines Zusammenschlusses von vier israelisch-arabischen Parteien, der mit voraussichtlichen 15 Mandaten drittstärkste Kraft im Parlament wird. "Das ist der größte parlamentarische Erfolg seit der ersten Knesset im Jahr 1949", sagte Ayman Odeh, Vorsitzender des Bündnisses. Sowohl Netanjahu als auch Gantz schließen die Vereinigte Liste als Koalitionspartner aus, da einige ihrer Vertreter eine stark propalästinensische und antizionistische Linie vertreten.


Bemerkenswert ist der Niedergang der einst stolzen Arbeitspartei Avoda, die in den ersten Jahrzehnten nach der Staatsgründung Israels Politik dominierte. Avoda ging im Vorfeld ein Bündnis mit der linksliberalen Partei Meretz und der sozial orientierten Splitterpartei Gesher ein. Gemeinsam kommt das Linksbündnis nun wohl auf nur noch sieben Mandate in der Knesset.

In den sozialen Netzwerken machen derweil Scherze über eine vierte Wahl die Runde. "Wählt exakt so wie bei den letzten beiden Runden", schrieb ein israelischer Nutzer am Wahltag auf Twitter. Denn da das gleiche Ergebnis zu Neuwahlen führen könnte und Wahltage in Israel Feiertage sind, könne er sich auf einen weiteren Urlaubstag im September freuen. (Mareike Enghusen aus Tel Aviv, 3.3.2020)