Der richtige Behördenweg durch die Angebote des Sozialstaates ist nicht ganz immer einfach zu finden, wie sich vor Gericht zeigt.

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Wien – Nach dem tödlichen Angriff auf einen Sozialamtsleiter in Dornbirn ist es durchaus nachvollziehbar, dass Behördenbedienstete vorsichtig sind, wenn es in ihren Büros zu Streit kommt. Herrn M. hat ein solcher nun vor Richter Christian Gneist gebracht – er soll am 18. Dezember versucht haben, eine Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice (AMS) zur Auszahlung von Geld zu nötigen.

Der unbescholtene Angeklagte ist 69 Jahre alt und Kosovare, er kam 2004 nach Österreich. In seiner Heimat sei er Geschichtsprofessor gewesen, erzählt er, in Österreich verdiente er mit Hilfsarbeiten sein Geld. Bis er vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitt und arbeitsunfähig wurde.

Zwei Ermahnungen für Angeklagten

Ob diese Erkrankung auch der Grund ist, warum er kaum zuhört und Gneist zu dessen Missfallen immer wieder unterbricht, ist unklar. Der gemeinhin recht umgängliche Richter ermahnt M. jedenfalls zwei Mal formell und ist überzeugt, sich ein recht gutes Bild davon machen zu können, wie die Gespräche im AMS so abgelaufen sind.

Fairerweise muss man sagen, dass M.s Erfahrungen mit dem Sozialsystem ein wenig an die Episode in "Asterix als Legionär" erinnern, als der Gallier und sein muskulöser Freund versuchten, in der römischen Stellungskommission eine Auskunft zu erlangen.

Nach seinem Schlaganfall wurde er von seinem Stammamt zunächst zu einer anderen AMS-Dependance geschickt. Dort verwies ihn Sachbearbeiterin I. an die Pensionsversicherungsanstalt, um seine Arbeitsfähigkeit überprüfen zu lassen. Da diese nicht mehr gegeben war, eröffnete I. dem Angeklagten, dass das AMS nicht mehr zuständig sei.

Fachspezifische Zeugenaussage

Vor Gericht schildert sie als Zeugin ihre Ratschläge, die sie M. am Tattag gegeben hat: "Ich habe ihm erklärt, dass er bei der MA 40 um Mindestsicherung ansuchen kann, da hätte er aber eine Rot-Weiß-Rot-Card Gold gebraucht. Da er sagte, dass er den Deutschkurs nicht mehr machen wolle, habe ich erklärt, dann müsse er zur MA 15, um eine Befreiung von B1 zu bekommen." Gneist ist zu diesem Zeitpunkt bereits überfordert: "Das ist jetzt sehr fachspezifisch. B1 sind die Deutschkenntnisse, nehme ich an?", fragt der Richter.

M. soll sich damals jedenfalls plötzlich auf den Kopf geschlagen haben, in rudimentärem Deutsch etwas von einem Messer gesagt und Stichbewegungen gemacht haben. "In meine Richtung und er hat mich auch dauernd angesehen", schildert sie. Allerdings sei er dabei rund zwei Meter von ihrem Tisch entfernt gestanden.

Anwesender Vorgesetzter bemerkte keine Drohung

Ein im Büro anwesender Vorgesetzter von Frau I. habe dagegen keine Drohungen bemerkt, erkennt aber an, dass sich der Angeklagte wohl in einer Ausnahmesituation befunden habe, da er nicht nur das Arbeitslosengeld, sondern auch die Versicherung verlor. M. behauptet, er habe einmal einen Stich in die eigene Brust angedeutet und gesagt, er könne sich morgen gleich selbst mit einem Messer töten, da er dann mittellos sei.

Da Gneist eine "Fehlwahrnehmung" der Zeugin nicht ausschließen kann, spricht er den Angeklagten frei. "Was nicht bedeutet, dass ich Ihr Verhalten für richtig und gut befunden habe", lässt er noch übersetzen. (Michael Möseneder, 3.3.2020)