Charles mit zweien seiner Modellflugzeuge auf seiner Veranda: US-Fotograf Alec Soth findet die Protagonisten seiner Fotokunst meist zufällig während seiner Reisen.

Foto: Alec Soth / Magnum Pictures

"Wovon träumst du?", fragte Alec Soth seine Protagonisten, bevor er sie für Sleeping By The Mississippi fotografierte. Für den US-amerikanischen Fotografen ist der Traum der Ort, an dem Ideen entstehen. Seine Arbeit möchte keine Geschichten erzählen, schon gar nicht dokumentieren. Sie soll als Poesie verstanden werden.

Unter dem Titel Photography Is a Language widmet das Kunsthaus Wien Alec Soth eine Einzelausstellung und zeigt sein Werk erstmals in Österreich. Das mag verwundern, gilt Soth international als Star der Szene. Viele seiner Werke sind Teil renommierter Sammlungen wie jener des MoMA in New York. Diese offensichtliche Lücke möchte das Kunsthaus füllen. Eine Premiere mit Zuspruch: Die Lecture des Künstlers vergangene Woche musste ins Mak verlegt werden – der Ansturm war zu groß.

Mit seiner Mississippi-Serie, die 2004 zu Soths schlagartiger Bekanntheit führte, beginnt die Schau. Sie setzt sich auf zwei Stockwerken mit gruppierten Fotoprojekten fort, zeigt die provinzielle Bevölkerung der USA und lässt tief in ihre Seele blicken. Selbst nahe des Mississippi aufgewachsen, unternahm Soth einen Roadtrip entlang des über 3700 Kilometer langen Flusses. Dort begegnete er Menschen am Rande der Gesellschaft. Oft allein inszeniert, wirken sie einsam und nachdenklich. In manchen ihrer Blicke liegt dennoch Hoffnung. Worauf genau, lässt Soth offen.

Lange Recherchen

Bevor sich der Fotograf auf Reisen begibt, recherchiert er lange, sucht nach geeigneten Orten. Seine Protagonisten findet er meist zufällig. Wie bei Charles, der mit zwei Modellflugzeugen auf seiner Veranda steht. Soth sah sein einsames Haus und klopfte an: "Ich dachte, da muss jemand Interessantes wohnen." Durchwandert man die Schau, trifft man auf Prostituierte, nackte Liebespaare und Aussteiger.

Nach und nach kristallisieren sich verschiedene Stile heraus: bunt, schwarz-weiß, inszeniert, spontan, mit Digital- oder Großformatkamera fotografiert. In Vitrinen liegen Quellen seiner Recherche, eigene Fotobücher, fremde Liebesbriefe. Auch zwei Videos sind zu sehen. Der Aufbau ist logisch und abwechslungsreich, lediglich die politische Komponente des Themas vermisst man.

Das Wichtigste für Soth sei die Freiheit seiner Arbeit. Als er bekannter wurde, kam ihm das Gefühl jedoch abhanden. Bevor der Fotograf 2019 seine jüngste Serie begann, in die die Ausstellung schließlich mündet, zog er sich ein Jahr auf eine entlegene Farm zurück. Dort überdachte er seine Herangehensweise und beobachtete die Natur, Licht und Wetter. Irgendwie poetisch. (Katharina Rustler, 2.3.2020)