Am Sonntag wurde in Prag einmal mehr gegen Premier Andrej Babiš protestiert. Demonstranten werfen ihm falschen Umgang mit EU-Geldern vor.

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Babiš bezeichnete tschechische Mitglieder des EU-Haushaltsausschusses als "Vaterlandsverräter".

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Monika Hohlmeier, die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, und der tschechische Christdemokrat Tomáš Zdechovský.

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"Alle stehlen, nur ich beziehe." Auf dem Transparent der Demonstranten in der tschechischen Hauptstadt Prag steht dieser Satz auf Slowakisch – um klarzumachen, wer gemeint ist. Tschechiens Premier Andrej Babiš, der ursprünglich aus der Slowakei stammt, verdankt seinen politischen Aufstieg nicht zuletzt der Antikorruptionsrhetorik, mit der er einst gegen die Veruntreuung öffentlicher Gelder durch die Mächtigen zu Felde zog. Nun aber ist es er selbst, dem vorgeworfen wird, beim Bezug von Geldern aus EU-Fonds gerne in die eigene Tasche zu arbeiten. Am Sonntagabend wurde in der Prager Innenstadt deshalb erneut gegen Babiš demonstriert.

Die Anschuldigungen reichen zurück bis ins Jahr 2008, als Babiš noch nicht politisch aktiv war. Der milliardenschwere Unternehmer hatte damals das mittelböhmische Freizeitressort Čapí hnízdo (Storchennest) aus seiner Holding Agrofert ausgegliedert, um auf diese Art umgerechnet zwei Millionen Euro an EU-Fördergeldern zu lukrieren, die für Klein- und Mittelbetriebe vorgesehen waren. Wenig später fiel das Storchennest wieder in den Schoß der Holding zurück. Derzeit wird in der Angelegenheit gegen Babiš ermittelt; es muss geklärt werden, inwieweit es sich bei dem Vorgehen um einen Straftatbestand handelt.

Ganz anderer Art sind die Vorwürfe, die mit seinem aktuellen Amt als Premierminister zu tun haben. Hier geht es darum, dass Babiš die Agrofert als Regierungsmitglied zwar in zwei Treuhandfonds ausgelagert hat, nach Ansicht von Auditoren der Europäischen Kommission aber weiter Einfluss auf die Geschäfte nimmt. Das jedenfalls geht aus dem Entwurf eines Kommissionsberichts hervor, der Ende des Vorjahres an die Öffentlichkeit gelangt war.

Viele Antworten, neue Fragen

Um den Mechanismen auf den Zahn zu fühlen, mit denen Tschechien möglichen Interessenkonflikten im Umgang mit EU-Geldern begegnet, war vergangene Woche eine Delegation des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments in Prag. "Wir sind mit vielen Fragen gekommen, und wir haben auch viele Antworten erhalten", sagte die Ausschussvorsitzende, die deutsche CSU-Politikerin Monika Hohlmeier, am Freitag bei der abschließenden Pressekonferenz in der Prager EU-Vertretung. "Aber am Ende fahren wir mit noch mehr Fragen wieder nach Hause", fügte Hohlmeier bitter hinzu.

Die Delegation hätte nach zahlreichen Gesprächen mit Behördenvertretern, Parlamentariern, NGOs, Journalisten sowie Vertretern privater Landwirte den Eindruck gewonnen, dass klare Strukturen zur Identifizierung von Interessenkonflikten in Tschechien schlichtweg fehlen würden. Auf EU-Ebene gebe es dafür aber sehr wohl klare Regeln, die von allen Mitgliedsländern beschlossen wurden und auch von allen Mitgliedsländern einzuhalten seien, so Hohlmeier.

Die fünfköpfige Delegation, bestehend aus Abgeordneten aus Deutschland, Tschechien, Ungarn und den Niederlanden, will nach ihrer Fact-Finding-Mission nun Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen ausarbeiten und diese auch veröffentlichen.

Für Unmut bei den Delegationsmitgliedern sorgte aber vor allem die ihrer Ansicht nach mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens tschechischer Spitzenpolitiker. "Wir sind hier, um das Geld der europäischen Steuerzahler zu schützen", so Monika Hohlmeier. "Also auch das der Steuerzahler aus Tschechien." Dennoch entstand in der Delegation der Eindruck, ihre Fragen seien in Prag unerwünscht.

Morddrohungen via Internet

Zudem hätten Premier Andrej Babiš und Landwirtschaftsminister Miroslav Toman ein Treffen mit der Delegation kurzfristig abgesagt – und zwar mit dem Hinweis, dass ihre Arbeit in der Regierung nichts mit der Tätigkeit des Haushaltsausschusses zu tun habe und daher kein Gesprächsbedarf bestehe. "So eine Antwort habe ich noch in keinem Mitgliedsland von irgendeinem Minister gehört", so Hohlmeier.

Premier Babiš ging aber noch einen Schritt weiter und bezeichnete die tschechischen Mitglieder der Delegation in einem Interview als "Vaterlandsverräter". Einer von ihnen, der Christdemokrat Tomáš Zdechovský, sagte daraufhin dem STANDARD, er habe in sozialen Medien Morddrohungen erhalten. (Gerald Schubert, 2.3.2020)