Geht die Mitgliederbefragung schief, braucht die SPÖ eine neue Chefin oder einen neuen Chef.

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So viel Macht hatten SPÖ-Mitglieder noch nie: Ab Mittwoch dürfen die Genossen abstimmen, wer ihre Partei künftig anführt. Soll weiterhin Pamela Rendi-Wagner an der Spitze stehen oder doch lieber ... ja, wer eigentlich? Es zählt zu den Eigentümlichkeiten der bis 2. April dauernden Mitgliederbefragung, dass jene, die gegen die Titelverteidigerin stimmen, die Katze im Sack kaufen.

Einen deklarierten Gegenkandidaten gibt es nicht, nicht einmal eine logische, unumstrittene Alternative zeichnet sich ab. Hinter den Kulissen diskutieren die Funktionäre über mehrere Varianten. Ein Überblick über die kolportierten Anwärter.

Peter Kaiser

Peter Kaiser ist eine, wenn nicht die Autorität in der SPÖ. Der Kärntner Landeshauptmann tritt besonnen auf, ist ideologisch gefestigt, aber doch pragmatisch, und hat als Vordenker bewiesen, dass er geistig über die eigenen Landesgrenzen hinausblickt. Dass er als angeblich spröder Intellektueller nicht "bei die Leut'" ankommt, lässt sich nach zwei Wahltriumphen nur mehr schwer behaupten.

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Allerdings müsste Kaiser das für Landeshauptleute typische Dilemma lösen: So sehr die Partei auch ruft – lohnt es sich dafür, den dankbarsten Politjob der Republik aufzugeben? Der auch schon 61-Jährige kommt wohl nur als interimistischer Chef infrage, der neben seinem Landesjob die SPÖ mit ruhiger Hand ordnet, um sie dann vor der nächsten Nationalratswahl einem frischen Spitzenkandidaten zu übergeben. Wollen ihn alle als Troubleshooter, wird er sich schwer wehren können.

Michael Ludwig

Als die Partei ihre letzten beiden Chefs – Christian Kern und Rendi-Wagner – kürte, war die traditionell so mächtige Wiener SPÖ mehr Passagier als führende Kraft. Das spricht dafür, dass die Rathauspartei die Zügel diesmal nicht schleifen lässt – und die Nachfolge womöglich sogar zur Chefsache macht.

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Michael Ludwigs Sprung an die Spitze wäre ein Experiment, schließlich steckt der Bürgermeister gleichzeitig im Wahlkampf für die Landtagswahl im Herbst. Das Für und Wider: Einerseits brächte die Doppelfunktion viele zusätzliche Auftrittminuten in Funk und Fernsehen, um Stimmung in eigener Sache zu machen. Anderseits müsste sich Ludwig aber auch um bundespolitische Themen kümmern, die ihn bei der Wahlkampagne bremsen könnten.

Wie bei Kaiser gilt: Der 58-Jährige wäre nur Übergangskandidat.

Hans Peter Doskozil

Auch der dritte im roten Bunde der Landeshauptleute geistert durch die SP-interne Debatte, allerdings in einer anderen Rolle als seine Amtskollegen. Der mit 49 Jahren deutlich jüngere Hans Peter Doskozil hat im Burgenland eben die absolute Mehrheit erobert, da will er wohl nicht gleich untreu werden. Wenn, dann wird sich "Dosko" eher erst knapp vor der nächsten Wahl aus der Deckung wagen, um Spitzenkandidat und uneingeschränkter Chef zu werden – sofern eine realistische Chance auf die Kanzlerschaft besteht.

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Der Ex-Polizist gilt zwar am linken Flügel immer noch als Reizfigur, doch je größer der Leidensdruck, desto stärker werden Vorbehalte abschmelzen. Dass Doskozil souveräne Auftritte abliefert, lässt sich schwer bestreiten.

Zeit braucht der leutselige Landespolitiker auch, um seine Kehlkopferkrankung heilen zu lassen – und bis zur nächsten Wahl wird der Fauxpas vergessen sein, dass Doskozil seiner Verlobten einen Job im eigenen Büro geben wollte.

Max Lercher

Die Verjüngung wäre radikal: Der 33-jährige Max Lercher ist sogar um einen Monat jünger als Sebastian Kurz. Auch in puncto Ambitionen soll er dem Kanzler nicht nachstehen. Der Nationalratsabgeordnete gilt bei Kollegen als überaus willig, das Ruder zu übernehmen.

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Lercher kann auf den Nimbus des rebellischen Märtyrers bauen, weil ihn Rendi-Wagner einst als (beliebten) Bundesgeschäftsführer abgesägt hat, worauf er sich als Kritiker der Parteispitze profilierte. Doch es gibt auch Vorbehalte: Zu polternd, zu steirisch trete die Zukunftshoffnung auf, da fehle noch der Feinschliff.

Und dann ist da die Debatte um jenen Beratervertrag, den Lercher als Geschäftsführer der Leykam AG mit der SPÖ abgeschlossen hat. So sehr er sich in der Causa als Opfer einer Intrige fühlte: Dass einer die Partei kritisiert, aber gleichzeitig Geld von ihr bezieht, kommt nicht restlos gut an.

Peter Hanke

Ein Quereinsteiger, der keine Fehler macht: Was nach der Erfahrung mit Rendi-Wagner unglaublich klingt, hat Peter Hanke geschafft. Der Finanzstadtrat aus Wien hat sogar bis hinein in das grundsätzlich SPÖ-feindliche Kurz-Lager in der ÖVP eine gute Nachred’. Da bietet sich eine Neuauflage des Modells Franz Vranitzky, Kanzler in den Achtziger- und Neunzigerjahren, an: ein unkonventioneller Kandidat mit Wirtschaftskompetenz, der in das bürgerliche Lager hineinstrahlt.

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Der Haken: Der langjährige Geschäftsführer der Wien Holding hat sich schon 2018 nicht sonderlich darum gerissen, in die Politik einzusteigen – auch jetzt lässt er keine weiterführenden Ambitionen erkennen. Außerdem will Bürgermeister Ludwig den 55-Jährigen im Wahlkampf wohl kaum als Ass entbehren. Das spricht dafür, dass Hanke nicht ad hoc, sondern eher erst für die nächste Nationalratswahl eine Option ist.

Andreas Schieder

Dass Andreas Schieder Lust auf Führungsarbeit hat, ist kein Geheimnis: Er war Klubchef im Parlament, hat mit Ludwig in einer Kampfabstimmung (vergeblich) um den Posten des Bürgermeisters gerittert, zog danach als Spitzenkandidat in die EU-Wahl. Dass die SPÖ ihr Niveau hielt, gilt angesichts der Umstände in der Partei als respektabel.

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Die Hypothek des 50-Jährigen Europaparlamentariers aus Wien ist die Niederlage gegen Ludwig. Es ist zwar unfair, nach innerparteilicher Demokratie zu rufen, aber unterlegene Kandidaten als Verlierer zu brandmarken. Doch so funktioniert die Logik der Medienberichterstattung nun einmal zum Teil – und vielleicht auch jene mancher Genossen.

Jörg Leichtfried

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Noch ein Steirer, der als willig gilt: Jörg Leichtfried (52) saß lange im Europaparlament, war eineinhalb Jahre Verkehrsminister und ist nun Vize-Klubchef im Parlament. Ein Außenseiter, aber wer weiß: Auch Alfred Gusenbauer wurde als kleinster gemeinsamer Nenner Chef – und später sogar Kanzler.

Doris Bures

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Eine Gruppe in der Wiener SPÖ wollte Doris Bures 2018 statt Rendi-Wagner zur Chefin machen, doch die Zweite Nationalpräsidentin winkte ab. Nun wird die 57-jährige Wienerin wieder gehandelt, jedoch mit gesunkenen Chancen. Wie der viel kritisierte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch zählt sie zur "Liesinger Partie", die Gegnern als dunkle, erneuerungsresistente Macht hinter Rendi-Wagner gilt. (Gerald John, 2.3.2020)