Mireille Ngosso ist seit Juni 2018 stellvertretende Bezirksvorsteherin im ersten Wiener Bezirk. Für die Wien-Wahlen 2020 hat sie von ihrer Partei, der SPÖ, keine Mehrheit als Spitzenkandidatin für den Bezirk erhalten.

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Wien – In der Wiener SPÖ mehren sich vor der Wien-Wahl im Herbst die Turbulenzen. Ende Februar wird bekannt, dass es bei der SPÖ im Bezirk Donaustadt eine Kampfabstimmung um den Vorsitz gibt – wobei der Basis nur ein Kandidat auf dem Stimmzettel präsentiert wird. Wenig später tritt Susanne Schaefer-Wiery, Bezirksvorsteherin in Wien-Margareten, aus der Partei aus. Am Dienstag wurde Silvia Jankovic als neue Spitzenkandidatin des Bezirks präsentiert.

Jetzt kriselt es auch in der SPÖ Innere Stadt, also im ersten Bezirk, heftig: Die bisherige Vize-Bezirksvorsteherin Mireille Ngosso hat von ihrer Partei bei der Bezirkskonferenz am Montag keine Mehrheit als Spitzenkandidatin für die Bezirksvertretungswahlen im Herbst bekommen. Die im Kongo geborene Wienerin, die als Ärztin in einem Wiener Spital arbeitet, erhielt nur 45,2 Prozent der Stimmen. Wer nun aus den roten Reihen bei den Wien-Wahlen 2020 Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) herausfordern soll, ist damit unklar.

Ngosso wurde erst im Juni 2018 zur stellvertretenden Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt gewählt. In einer ersten Reaktion sagte sie dem STANDARD: "Es ist sehr schade, dass ich keine Mehrheit erhalten habe. Der Schockmoment ist noch nicht vorbei." Von einer Missstimmung in der SPÖ gegen sie habe sie vor der Abstimmung nichts vernommen.

Die Politikerin absolviert aktuell auch eine Ausbildung zur Allgemein-Chirurgin. "Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich bin Ärztin im Beruf und keine Vollzeit-Politikerin. Aber ich war trotzdem im Bezirk präsent. Ich habe mich für ein Eltern-Kind-Café und den Umbau der Rotenturmstraße eingesetzt." Der SPÖ wolle sie trotz der Abwahl erhalten bleiben.

Ngosso ist die erste hochrangige afroösterreichische Bezirkspolitikerin in Wien und seit 2010 in der Wiener SPÖ aktiv. Bezirksrätin im Ersten ist sie seit 2015. Nach ihrer Wahl zur Vize-Bezirkschefin im Jahr 2018 schlug ihr auch Rassismus entgegen: Zwei FPÖ-Funktionäre griffen die rote Bezirkspolitikerin in Postings an.

Ngossos gescheiterte Kandidatur offenbart tiefe Gräben bei der SPÖ im ersten Bezirk. Denn im SPÖ-Bezirksausschuss wurde Ngosso noch einstimmig als Spitzenkandidatin für die Bezirksvertretungswahlen im Herbst vorgeschlagen. Die rote Basis stellte sich aber gegen die Entscheidung der hochrangigen Funktionäre: Bei der SPÖ-Bezirkskonferenz mit 126 anwesenden Delegierten erhielt Ngosso nur 45,2 Prozent Zustimmung. Als Spitzenkandidatin stand nur Ngosso zur Wahl.

SPÖ-Bezirkschef: "Ngosso wäre die richtige Kandidatin gewesen"

Das Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als die Delegierten auch über die hinter Ngosso gereihten weiteren Listenplätze 2 bis 36 abstimmten. "Jede andere Kandidatin und jeder andere Kandidat erhielt für den jeweiligen Listenplatz um die 90 Prozent Zustimmung", sagte Georg Niedermühlbichler, der SPÖ-Bezirkschef im Ersten.

Niedermühlbichler meinte zum STANDARD: "Für mich wäre Ngosso die richtige Spitzenkandidatin gewesen. Persönlich tut es mir sehr leid für sie." Er bestätigte, dass bei den Roten im Bezirk derzeit die Emotionen blank liegen würden. Warum wurde Ngosso die Zustimmung versagt? Niedermühlbichler: "Ich weiß es nicht. Wir müssen uns die Hintergründe anschauen."

Laut dem SPÖ-Bezirkschef entscheidet jetzt der Bezirksausschuss, welche Spitzenkandidatin oder welcher Spitzenkandidat für die SPÖ ins Rennen geht. Die Entscheidung soll "übernächste Woche" feststehen. Die Basis selbst wird nicht mehr gefragt, ob die Entscheidung des Gremiums auch goutiert wird. "Das ist in den Statuten so vorgesehen."

Die SPÖ beschloss ihre Liste im Reißverschluss-System: Hinter Ngosso landete Karl Grasser, der rote Klubchef im Bezirk, auf Platz zwei. Dritte wurde die ehemalige ÖH-Vorsitzende und Ngosso-Vertraute Lucia Grabetz. Letztere nannte Ngosso am Dienstag "die stärkste Frau und herausragendste Politikerin, die ich bisher kennenlernen durfte". Da derzeit eher nicht anzunehmen ist, dass Grabetz in die erste Reihe drängt, könnte mit Grasser also wieder ein Mann zum Zug kommen.

Die internen Querelen bedeuten aber auch einen Rückschlag für das Ansinnen der SPÖ, den renommierten Bezirkschef-Posten von der ÖVP in der City zurückzuerobern. Als nächstes Prestige-Pprojekt steht etwa der seit Jahren verschobene Umbau des Schwedenplatzes an. Bezirkschef Figl legte sich etwa gegen die bisherigen Pläne von Rot-Grün quer. (David Krutzler, 3.3.2020)