Eine Zeitlang lag die FPÖ in jeder Sonntagsfrage auf Platz eins. Hier spricht Heinz-Christian Strache 2016 in Wien – auf einer von der FPÖ initiierten Kundgebung.

Foto: der Plankenauer

Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit. Das EU-Türkei-Abkommen zur Begrenzung von Fluchtbewegungen nach Europa ist de facto außer Kraft. Eine nachhaltige Lösung für die Situation von Flüchtenden aus Syrien war es ohnehin nie.

Was aber sind die politischen Folgen, wenn es wieder zu einem starken Anstieg von Flüchtlingsankünften in Europa kommt? Gerade in Österreich waren die Konsequenzen des Sommers 2015 besonders spürbar. Sie legten den Grundstein für einen Höhenflug der FPÖ, die zwischen Juni 2015 und März 2017 in jeder (!) veröffentlichten Sonntagsfrage auf Platz eins lag. In weiterer Folge kam es zum Aufstieg von Sebastian Kurz und zur Ablöse von Rot-Schwarz durch Türkis-Blau.

Wie genau aber hat sich damals die öffentliche Meinung verändert?

Die Daten des Eurobarometer geben uns Aufschluss darüber. Hier wird im Halbjahresrhythmus nicht nur die Bedeutung bestimmter Themen abgefragt ("Was sind die beiden wichtigsten Probleme, denen Österreich derzeit gegenübersteht?"), sondern seit Ende 2014 auch die Einstellung zur Zuwanderung. Konkret wird erhoben, ob Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern ein sehr/ziemlich positives oder sehr/ziemlich negatives Gefühl auslöst. Die Grafik unten zeigt die Zeitreihen für beide Fragestellungen.

Im Herbst 2014 gaben 20 Prozent der Befragten Zuwanderung als eines der zwei wichtigsten Themen an – ein Wert, der nur einige Punkte über dem langjährigen Durchschnitt zu diesem Zeitpunkt lag. Im Jahr 2015 steigen die Nennungen dann allerdings massiv an: 31 Prozent im Mai und 56 Prozent im November. Zuwanderung ist zu diesem Zeitpunkt das mit Abstand am häufigsten genannte der 13 Themen, die Eurobarometer abfragt (Arbeitslosigkeit liegt mit 30 Prozent weit abgeschlagen auf Rang zwei). In den Folgejahren nimmt die Bedeutung des Themas langsam, aber stetig ab und pendelt sich 2019 in etwa auf dem Niveau von 2014 ein.

Während die Flüchtlingsankünfte des Jahres 2015 also massiven Niederschlag in puncto Wichtigkeit des Themas Zuwanderung fanden, veränderten sich die Einstellungen in der Bevölkerung nur marginal. Der Anteil der Befragten mit negativer Einstellung zur Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern steigt zwischen Herbst 2014 und Herbst 2015 von 56 auf 64 Prozent, sinkt aber binnen eines Jahres wieder auf 56 Prozent ab. Während der Amtszeit der türkis-blauen Bundesregierung werden die Einstellungen sogar noch etwas positiver. Heute halten sich positive und negative Haltungen in etwa die Waage.

Ein differenzierter Blick zurück lohnt sich also: Er zeigt, dass Zuwanderung ab 2015 klar die Themenagenda dominiert hat (ähnliche Muster wie oben finden sich auch in der Medienberichterstattung). Von einem dauerhaften Rechtsruck in der öffentlichen Meinung kann allerdings überhaupt keine Rede sein. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 3.3.2020)