Athen – Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hat am Dienstag bekräftigt, dass es von der Türkei aus keine Grenzübertritte nach Griechenland geben werde. "Die Moral ist groß, wir machen unsere Arbeit, angesichts der nationalen Anstrengung ist das ganze Volk vereint – es wird niemand illegal passieren", versicherte er in Alexandroupolis, wie der griechische Fernsehsender Skai berichtete.

"Griechenland kann nicht erpresst werden und lässt sich nicht erpressen." An die EU gewandt sagte er: "Griechenlands Grenzen sind auch Europas Grenzen."

Tausende Migranten warteten am Samstag an der türkisch-griechischen Grenze.
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Lokalaugenschein

Mitsotakis war in die nordostgriechische Hafenstadt gereist, um zu Mittag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel und den Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli, zu empfangen. Die EU-Politiker wollen sich ein Bild von der Situation an der griechisch-türkischen Grenze machen; auf der türkischen Seite harren tausende Migranten aus, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Samstag verkündet hatte, die Türkei habe die Grenzen zur EU geöffnet. Daraufhin hatte Athen am Sonntag beschlossen, Griechenland werde einen Monat lang keine neuen Asylanträge annehmen und Polizei sowie Militär an der Grenze verstärkt.

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Kyriakos Mitsotakis machte sich am Dienstag ein Bild von der Lage.
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45 Festnahmen an griechisch-türkischer Grenze

Griechische Sicherheitskräfte haben in der Nacht auf Dienstag 45 Migranten festgenommen, die illegal von der Türkei über die Grenze gekommen waren. Das berichtete am Dienstag der griechische Staatssender ERT. Die Menschen stammten demnach hauptsächlich aus Afghanistan, Pakistan, Marokko und Bangladesch. Darüber hinaus sei die illegale Einreise von mehr als 5.000 Menschen verhindert worden.

Putin telefoniert mit Merkel

Unterdessen berieten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin telefonisch über die Lage in der umkämpften syrischen Region Idlib. Ein Regierungssprecher in Berlin bestätigte das Telefonat, ohne Details zu nennen. Nach Angaben der russischen Agentur RIA sei es dabei um die Lage in Syrien gegangen. Beide hätten die Hoffnung geäußert, dass ein Treffen Putins mit Erdoğan am Donnerstag eine Lösung bringen könne.

In Idlib sind russische und syrische Truppen gegen Milizen vorgerückt, die von der Türkei unterstützt werden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, dass sein Land den Kampf gegen Terroristen in Idlib nicht stoppen werde, nur um Europas Flüchtlingsprobleme zu lösen. In Idlib sind vor allem der Terrororganisation Al Kaida zugehörige Gruppen aktiv.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Dienstag, die Migrationskrise an der türkisch-griechischen Grenze hänge nicht ursächlich mit den Kämpfen in Syrien zusammen. Im Jahr 2020 seien überhaupt erst 35.000 Personen über die syrisch-türkische Grenze gewandert.

Türkei schießt syrisches Flugzeug ab

Durch Artilleriebeschuss ist in Idlib ein weiterer türkischer Soldat getötet worden. Der Vorfall habe sich am Montag ereignet, teilte das türkische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. Die Türkei habe zudem ein syrisches Militärflugzeug vom Typ L-39 abgeschossen. Es handelte sich um den dritten Flugzeugabschuss binnen drei Tagen.

Merkel telefonierte am Montagabend auch mit Erdoğan. Die Kanzlerin hatte mehrfach ihre Bereitschaft zu einem Vierertreffen mit ihm, Putin sowie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron erklärt, um die humanitäre Lage für die Menschen in Idlib zu verbessern.

Weber für "Upgrade" des EU-Türkei-Abkommens

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber plädiert für eine Neuauflage des Flüchtlingspakts mit der Türkei und weitere finanzielle Hilfen. "Die Grundpfeiler sind richtig", sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei am Dienstag in Brüssel. Nun gehe es um ein "Upgrade" und die Verbesserung der Strukturen.

"Ich glaube, jetzt muss die Botschaft sein: Wenn Erdoğan, wenn die Türkei uns zeigt, wo der Bedarf ist, dann ist Europa bereit zu helfen", sagte Weber. Mittelfristig müsse auch über die Aufnahme von Flüchtlingskontingenten in der EU gesprochen werden. Notwendiger erster Schritt sei aber die Sicherung der EU-Außengrenze. "Recht und Ordnung muss durchgesetzt werden", sagte Weber. "2015 darf sich nicht wiederholen."

In den vergangenen Tagen waren tausende Menschen an die türkische Grenze zum EU-Land Griechenland gekommen. Zuvor hatte der türkische Präsident angekündigt, Flüchtlinge und Migranten ungehindert ausreisen zu lassen. Dies verstößt gegen den 2016 vereinbarten Flüchtlingspakt mit der EU. Die griechische Regierung verhinderte Grenzübertritte mit Tränengas und Wasserwerfern.

Weber plädierte auch für eine diplomatische Initiative der EU für eine Flüchtlings-Schutzzone in Nordsyrien. Ein entsprechender Vorstoß der scheidenden CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sei richtig gewesen, und es gelte nun, "dieser Idee eine letzte Chance zu geben". Auch dabei sollte Europa finanziell helfen, forderte Weber. (red, APA, 3.3.2020)