Dunkle Wolken über dem Wohnungsmarkt? Viele Wiener klagen über Befristungen und hohe Mieten.

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Die steigenden Wohnpreise sind in den letzten Jahren für viele Menschen zur Belastung geworden – auch in Österreich, das international von vielen immer noch als Insel der Seligen betrachtet wird.

Dabei sprechen die Zahlen eine andere Sprache: Die Immobilienpreise haben sich seit 2005 fast verdoppelt, besonders starke Preisanstiege gab es seit 2010. Gleichzeitig sind Mieten um 48 Prozent gestiegen, das Medianeinkommen der Menschen aber nur zu 29 Prozent.

Zwar werden österreichweit laut Eurostat im Schnitt nur 18 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgegeben, was unter dem EU-Schnitt liegt. "Aber diese Belastung ist nicht gleich verteilt", betonte Selim Banabak von der TU Wien bei einem Pressegespräch vom Wissenschaftsnetzwerk Diskurs vor kurzem.

In der Mieterstadt Wien liegt die Wohnkostenbelastung schon bei 25 Prozent. Sieht man sich hier nur Menschen auf dem privaten Mietmarkt an, sind es sogar 30. Verhältnismäßig viel müssen zudem Menschen mit niedrigem Einkommen sowie Alleinerziehende aufbringen. International gilt eine Wohnkostenbelastung von 30 Prozent als Schwelle der Leistbarkeit.

Eine Befragung in der Wiener Seestadt Aspern hat aber beispielsweise ergeben, dass Haushalte mit einem Einkommen von maximal 2.000 Euro bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben, wie der Soziologe Christoph Reinprecht von der Uni Wien ausführte.

Nachfrage treibt die Preise

Die Makroökonomin Elisabeth Springler von der FH des BFI Wien macht für die Preisexplosion am Wohnungsmarkt die Niedrigzinspolitik der EZB verantwortlich. Dadurch sei es zwar einfacher geworden, Immobilien mit Kreditfinanzierung zu erwerben. Die steigende Nachfrage treibe aber auch die Preise nach oben. Wohnungen werden heute längst nicht mehr nur von Menschen gekauft, die darin auch wohnen wollen, sondern auch von jenen, die ihr Geld anlegen und mit dem Vermieten eine Rendite erwirtschaften wollen.

Was also tun gegen die hohen Preise? Die Experten am Podium plädierten für Eingriffe der Politik, denn Wohnen sei ein öffentliches Gut und sollte nicht den Marktkräften überlassen werden. Ein großes Problem an der aktuellen Situation sind für die Architektin Gabu Heindl, die derzeit an der Architectural Association in London unterrichtet, die Befristungen von Mietverträgen, die in den letzten Jahren überhand genommen haben.

"Menschen in Geiselhaft"

Dadurch sei eine wachsende Anzahl von Menschen alle paar Jahre von Wohnungslosigkeit bedroht. Und wer in preisregulierten Altbauwohnungen zu viel Miete bezahle, traue sich nicht, gegen seinen Vermieter vorzugehen – aus Angst, dass später der Mietvertrag nicht verlängert wird. "Damit nimmt man die Menschen in Geiselhaft", konstatiert Heindl, die sich für die Menschen Wohnsicherheit in Form von unbefristeten Mietverhältnissen wünscht.

Eine Wohnsicherheit sehen manche in der Schaffung von Eigentum. Die versammelten Experten sahen das beim Pressegespräch sehr kritisch. So forderte Heindl, die Mietkaufoption im geförderten Wohnbau ganz abzuschaffen. Diese sei vergleichbar mit dem "right to buy", mit dem Margaret Thatcher seinerzeit die Sozialwohnungen in Großbritannien verscherbelt hat. Mit dem Abverkauf der Wohnungen an Mieter würden Häuser zerrissen, sie seien dadurch schwierig zu verwalten – und würden am Ende erst recht wieder zu Spekulationsobjekten werden.

Enteignungen als Thema

Auch der Soziologe Reinprecht von der Uni Wien brach eine Lanze für das Mieten. Angesichts der hohen Immobilienpreise sei Eigentumserwerb für die meisten Menschen nur mit einem Kredit möglich. Beim Unterzeichnen des Kaufvertrages kaufe man sich "in Wahrheit einen Kredit".

Zudem seien auch nach Abbezahlen des Kredits weitere Investitionen in die Instandhaltung notwendig. In Ländern wie England habe sich gezeigt, was passiere, wenn man Menschen, die kein Vermögen haben, zu Eigentümern macht. "Viele haben nicht die finanziellen Ressourcen, um langfristig Verantwortung zu übernehmen", so Reinprecht.

Gut findet Heindl die Widmungskategorie geförderter Wohnbau, die Wien im Vorjahr eingeführt hat. Damit sei ein Schritt gegen die Spekulation mit Grund und Boden gesetzt worden. Es gebe noch andere Instrumente, die in diesem Bereich zur Anwendung kommen könnten, auch Enteignung brachte die Architektin ins Spiel. Sie forderte, dass keine öffentlichen Grundstücke mehr privatisiert werden, das sollte auch für Grundstücke der ÖBB gelten.

Neues Mietrecht

Die Experten forderten außerdem eine Stärkung des geförderten Wohnbaus und mehr Inklusion. Soziologe Reinprecht rief außerdem zum "Kampf gegen Transaktionskosten" auf, also beispielsweise Kautionen, um Umzüge günstiger zu machen und Mobilität zu gewährleisten.

Die Wunschliste umfasst weiters: ein für beide Seiten übersichtliches Mietrecht, eine Stärkung des Mieterschutzes, eine Rücknahme der Lagezuschläge und eine Rückkehr zu streng regulierten Kategoriemieten. (Franziska Zoidl, 4.3.2020)