Oft zählt nicht nur, was man sagt, sondern auch das "Wie?"

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Alexandra N. Lenz ist Professorin für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Wien.

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Bereits die erste sprachliche Kontaktaufnahme mit einem Gegenüber kann die Wirkungskraft sprachlicher Formen entfalten: Welche Begrüßungsformel ist etwa die adäquate, um zu Beginn eines neuen Semesters die Studierenden einer Vorlesung zu begrüßen? Das aus meinen eigenen Unizeiten übliche "Guten Tag" ist wohl eindeutig als (zu) bundesdeutsch markiert. Ein informelles, potenziell locker einstimmendes "Hallo" oder gar "Hi" erscheint sicher als unpassender Einstieg in ein universitäres und damit seriöses Vorlesungsformat. Ebenso verhält es sich mit "Mahlzeit", selbst wenn die Lehrveranstaltung um die Mittagszeit stattfinden sollte.

Als Alternative stehen natürlich auch "Grüß Gott", "Grüße Sie" oder "Servus" zur Verfügung, wie ich sie in den letzten zehn Jahren in mein eigenes Sprachrepertoire fest übernommen habe. Deren Formalitäts-, Abstraktions- und Neutralitätsgrad könnten für den gegebenen Rahmen aber ebenso unpassend wirken. Statt mich im Dschungel deutschsprachiger Begrüßungsformel zu verirren und einen sprachlichen Fauxpax zu begehen, greife ich stattdessen in der Regel auf einen Willkommensgruß zurück: "Herzlich willkommen zu dieser Vorlesung!".

Von der Buntheit der deutschen Sprache

Das einfache Beispiel angeführter Grußformeln illustriert recht deutlich die Vielfalt sprachlicher Möglichkeiten, die gerade auch die deutsche Sprache mit sich bringt. Zwei berühmte Sprachwissenschafter (alternativ "SprachwissenschaftLer"), die Kollegen Stephen Barbour und Patrick Stevenson, haben die These aufgestellt, dass Deutsch "wahrscheinlich die variationsreichste Sprache Europas" sei. Ich stimme den Kollegen unumwunden zu.

Die Variationsvielfalt der deutschen Sprache drückt sich etwa darin aus, dass wir in unterschiedlichen Ländern und Regionen des deutschsprachigen Raums – etwa in der Schweiz, in Österreich, Deutschland, Ostbelgien oder Südtirol – auf sehr verschiedene Sprachräume treffen, deren Variantenreichtum sozial (z. B. "alt" versus "jung"), regional (z. B. "Kärtnerisch" versus "Wienerisch") oder funktional (z. B. "Fachsprache" versus "Geheimsprache") gesteuert wird.

Wer die Wahl hat …

Diese Vielfalt bringt es auch mit sich, dass einer sprachlichen Äußerung eine – seltener bewusste, häufiger aber unbewusste – Wahl vorausgeht. Nämlich die Entscheidung für eine von verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten, die aus dem bunten Pool sprachlicher Bausteine ausgewählt wird, um Inhalte, Meinungen oder Intentionen in eine konkrete sprachliche Form zu bringen.

Diese Auswahl hat Konsequenzen. Sie hat Wirkung. Sie sagt etwas aus über die sprechende Person, etwa über ihre Einstellungen, ihre Absichten, ihr Verhältnis zum Gegenüber oder zu gesellschaftlichen Gruppen, zu denen das sprechende Individuum gehört, gehören will oder eben gerade auch nicht gehören will. Diese Aus-Wirkungen sind dem Sprechakt inhärent, sie sind nicht vermeidbar. Sie sind lediglich in ihrem Wirkungsgrad beeinflussbar oder gar manipulierbar.

Weil die Anstrengung lohnt

"Der Ton macht die Musik" bedeutet folglich in sprachlicher Hinsicht: Die gewählte Ausdrucksvariante, mit der eine Aussage transportiert wird, entscheidet maßgeblich über die Wirkung und den Wirkungskraft der Botschaft. Sprechende Wesen sind immer auch Sozialwesen. Sprechen ist auch immer ein Sozialakt, der Auswirkungen hat.

Auswirkungen etwa auf die sprechende Person, die sich selbst um Kopf und Kragen redet, sich outet, sich vergaloppiert, sich selbst sortiert oder sich bewusst abgrenzt. Auswirkungen auf die EmpfängerInnen der Botschaft, die sich verbal angegriffen, "voll mitgenommen", missverstanden, diskriminiert, ausgegrenzt, "geflasht" oder auch geehrt fühlen. Und natürlich auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen SprecherIn und EmpfängerIn der sprachlichen Botschaft, die sich beide im Gespräch näherkommen, aufeinander zubewegen, entfremden oder sich wie auch immer zueinander positionieren.

Welche Wirkungskraft nicht nur der Inhalt einer sprachlichen Botschaft hat, sondern gerade auch ihre konkrete Verpackung, ist nicht zu unterschätzen. Die Wirk-Kraft von Sprache und Sprechen bringt viele Möglichkeiten der sozialen Mitgestaltung mit sich, aber genauso auch eine Verantwortung. Spreche ich, wirke ich!

Wie wirken Sie sprachlich? Wie wollen Sie wirken?

Welche Wirkungskraft schreiben Sie Ihrer Sprache und Ihrem Sprachverhalten zu? Haben Sie konkrete Wirkungen Ihres Sprechens schon einmal ganz drastisch erlebt? Was steuert Ihr Sprechen konkret: das Gegenüber und seine/ihre Sprache, das Thema, Ihre emotionale Verfassung? In welchen Situationen legen Sie besonderen Wert darauf, wie Sie etwas sagen?