Wien – Plötzlich ging es dann ganz schnell: Entgegen der Erwartungen gab der Verfassungsgerichtshof (VfGH) schon am Dienstagabend seine Entscheidung über die Blockade von Untersuchungsthemen im Ibiza-Ausschuss bekannt – und er stellte sich vollinhaltlich auf die Seite der Oppositionsparteien SPÖ und Neos.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates zur Causa Casinos Austria im November 2019.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Diese hatten im Jänner per Minderheitsantrag einen U-Ausschuss eingesetzt und diesen mit einer Vielzahl von Untersuchungsthemen versehen. Ausgehend vom berüchtigten Ibiza-Video sollten Postenbestellungen bei der Casinos AG und abseits davon, eine Beeinflussung bei der Gesetzesfindung sowie die Ibiza-Ermittlungen an sich geprüft werden. Das wollten ÖVP und Grüne verhindern: Für sie waren das zu viele Themen, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach von einem "Wald-und-Wiesen-Ausschuss". Deshalb blockierten die beiden Regierungsparteien im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats so viele Themen, dass nur mehr die Casinos-Affäre sowie damit zusammenhängend Postenbestellungen bei der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) übrig blieben.

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Darüber beschwerten sich wiederum SPÖ und Neos, die vor den VfGH zogen. Knapp sechs Wochen später gab der seine Entscheidung bekannt: Alle von SPÖ und Neos ursprünglich vorgesehenen Untersuchungsthemen bleiben, deren Blockade durch Türkis-Grün war "rechtswidrig".

"Sieg für Demokratie"

Damit konnten ÖVP und Grüne die Aufklärung "nur verzögern, nicht verhindern", sagt Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, zum STANDARD. "Die schwarz-grüne Regierung wollte den Ibiza-Skandal zudecken. Dieses Vorgehen war nicht nur politisch inakzeptabel, sondern auch verfassungswidrig", jubelte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung. Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper sprach von einem "Sieg für Minderheitenrechte und die Demokratie". Auch die FPÖ lobte das Urteil des VfGH." Die Blockadetaktik von ÖVP und Grünen hat nun ein Ende", so Fraktionsführer Christian Hafenecker.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates zur Causa Casinos Austria im November 2019.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Die Grünen nehmen das Urteil "zur Kenntnis", "können übrigens gut damit leben" und wollen jetzt zeigen, "dass Aufklärung und Kontrolle in der Regierung angekommen sind". Für den kleinen Koalitionspartner, der sich selbst in der Vergangenheit als Kontroll- und Aufklärungspartei stilisiert hatte, könnte der VfGH-Entscheid zur Belastung werden. Klubobfrau Sigi Maurer hatte die Blockade stets mit Blick auf eine "Rechtssicherheit" bei U-Ausschüssen verteidigt und Koalitionsräson als Motivation ausgeschlossen.

Noch weniger euphorisch hat die ÖVP den VfGH-Spruch zum Ibiza-U-Ausschuss aufgenommen: Für den VP-Fraktionsvorsitzenden im U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, ist "die Entscheidung des VfGH zu akzeptieren". Gerstl befürchtete aber, dass die nunmehrige Themenfülle konkrete Ergebnisse behindern könnte.

Erste Akten hat der U-Ausschuss bereits erhalten, die Untersuchung der Casinos-Affäre wäre ja sowieso als Thema geblieben. Nun beginnt auch die Frist für Aktenlieferungen zu den anderen von der VfGH-Entscheidung berührten Themen. Dabei geht es etwa um angeblichen Postenschacher bei der Austro Control sowie um die Ibiza-Ermittlungen. (fsc, 3.3.2020)