Fantastisches Gasthaus im Mostviertel: Stefan Hueber und Lebensgefährtin Sylvia Aigner mit Seniorchef Herbert.

Foto: Severin Corti

Stefan Hueber sieht ein klein wenig mitgenommen aus. Eine Verkühlung hat ihn erwischt, außerdem waren am Nachmittag an die 80 Senioren aus der Gemeinde zur Faschingsjause mit Tanz im Haus, den Abendservice mit fünf Tischen und großem Menü gibt’s dann noch zum Drüberstreuen. Vater Herbert versorgt ein paar Tische mit späten Zechern aus dem Dorf mit Bier und Spritzer, während Stefans Partnerin Sylvia Aigner die Dinnergäste schupft.

Das 600 Jahre alte Haus liegt im Herzen des Mostviertler Dorfs, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Frühschoppen, Hochzeiten, Vereinsabende – sie werden hier wie seit je abgehalten. Stefan Hueber hat bei Petz-Schüler Wolfgang Bauer in Maria Taferl gelernt und das elterliche Wirtshaus in den vergangenen Jahren neu aufgestellt.

Tolle Weinkarte

"Als ich mit Sylvia übernommen habe, wurde hier eigentlich kaum noch gekocht", sagt er, "für uns war aber klar: Wenn wir das hier weiterführen, dann nur mit einer Küche, die uns auch Spaß macht."

Und mit einer Weinkarte, von der sich etliche hochdekorierte Betriebe eine Scheibe abschneiden dürfen: Christian Tschidas Himmel auf Erden ist glasweise verfügbar ("den trink’ ich einfach selber so gern"), zwischen den besten Winzern aus Wachau, Traisental und Wagram finden sich etliche rare Schätze von Domaine de l’Horizon über Emmerich Schönleber von der Nahe bis zu den fantastischen Burgundern Henri Boillots.

Während die Dorfbewohner in zahllosen niederösterreichischen Gemeinden inzwischen vor geschlossenen Wirtshausruinen stehen und (auch aus eigener Schuld) nur noch beim Tankstellen-Espresso zu einer Art Mittagessen zusammenfinden, darf sich St. Georgen an der Leys über ein Prachtwirtshaus freuen. Dabei ist die Gegend zwischen Scheibbs und Wieselburg alles andere als ein Tourismusmagnet – das Geschäft muss also aus der Region kommen.

Den schnellen Schnitzel-Fix, der aus dem Tiefkühlsackerl in die Fritteuse plumpst, wird man hier umsonst suchen. Stefan Huebers Speisekarte wechselt mehrmals die Woche, er arbeitet eng mit lokalen Bauern zusammen, gibt aber auch seiner Sehnsucht nach jenen Köstlichkeiten nach, die von der weiten Welt des guten Essens erzählen.

Beiried zur Vorspeise
Foto: Severin Corti

Die Beiried, die er erst mariniert, dann ganz zart räuchert und kurz lufttrocknen lässt, bevor er sie zur Vorspeise dünn aufschneidet und mit Knochenmark, Brunnenkresse und Dottercreme aufträgt, stammt vom Blonde-d’Aquitaine-Rind, das ein Bauer im Nachbardorf züchtet.

Stosuppe!

Neubrucker Forelle wird mit einem fruchtig- sauren Dressing aus Hagebuttenmark mariniert und mit roten Rüben, gedörrter Blunze und Forellen-Bottarga kombiniert – wächsern saftige Nuggets vom rohen Fisch, ebenso unerschrocken wie gefühlvoll mit Geschmack aufgeladen.

Dass der Teller unter einer mit Rauch gefüllten Glasglocke serviert wird, hat zwar nur marginalen Einfluss auf den Geschmack, macht aber ordentlich was her. Stosuppe, dieser fast schon vergessene Trumpf der altösterreichisch vegetarischen Bauernküche, vibriert von zarter Säure und dem Aroma kandierten Kümmels, fantastisch.

Aber Hueber will aus dem Bekenntnis zu Regionalität kein Dogma machen. Also kombiniert er eine prächtige, in Kalbsjus glasierte Tranche vom Heilbutt mit Ochsenschlepp-Ravioli (beste Petz-Schule, souverän bissfester, elastischer Teig!) und einer durchaus wuchtigen Foie-Gras-Creme zur spektakulären Kreation – große Küche!

Dessert muss aber auch sein: Aus dem Molkekaramell Sig macht Hueber eine unwiderstehliche, nur zart süße Creme, dazu gibt’s karamellisierten Apfel mit Kardamom-Streusel und Brioche-Eis – wie alles hier sehr ambitioniert zu purem Wohlgeschmack geführt. (Severin Corti, RONDO, 6.3.2020)

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