Der regierungskritischen philippinischen Journalistin und Medienmacherin Maria Ressa drohen mehrere Jahrzehnte Haft.

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Bis zu zwölf Jahre Haft drohen Maria Ressa in einem Monat. Das ist nur eines von elf Strafverfahren der philippinischen Behörden gegen die Journalistin und Medienmacherin. In praktisch jedem davon droht der 56-Jährigen bis zu ein Jahrzehnt in philippinischen Gefängnissen. Ihr werden etwa Steuervergehen vorgeworfen und Verleumdung in einem schon einmal gerichtlich abgetanen Fall von 2012. In keinem der Verfahren wird verhandelt, warum die Behörden gegen die Aufdeckerin vorgehen: regierungskritischer, um Fakten und Aufklärung bemühter Journalismus.

Ressa hat das investigative Onlineportal "Rappler" gegründet, sie führt seine Geschäfte und die Redaktion. Und die frühere Korrespondentin von CNN und Reporterin für das "Wall Street Journal" lässt sich auch vom autoritären Regime des Präsidenten Rodrigo Duterte nicht von ihrer Vorstellung von Journalismus abhalten. Das versucht Dutertes Regime mit vielen Mitteln, mit Polizei und Justiz ebenso wie Flutwellen von Hass, Rufschädigung und Bedrohung über Social Media.

"Wenn ich ins Gefängnis muss, dann ist das eure Schuld", sagte Ressa einer Runde von Facebook-Managern und -Mitarbeitern vor mehr als einem Jahr. Und auch wenn sie dabei lächelte, wie so oft, war das kein Scherz.

Meinungsfreiheit ersticken

Facebook-Boss Mark Zuckerberg hat im Herbst bei einem programmatischen Vortrag an der Universität Georgetown die Meinungsfreiheit als oberstes Prinzip seines Social Network gepriesen.

"Meinungsfreiheit wird dafür verwendet, Meinungsfreiheit zu ersticken", sagte Ressa vor einem Jahr beim International Journalism Festival in Perugia. Dort veranschaulichte sie den "Informationskrieg" des Regimes gegen ihr Medium und sie selbst seit Dutertes Amtsantritt im Sommer 2016 und vor allem seit Herbst dieses Jahres, als die Behörden Dutertes Wahlversprechen umzusetzen begannen, des Drogenhandels Verdächtige gleich zu töten, als ein Gericht zu bemühen.

Bis zu 90 Hassbotschaften pro Stunde prasselten auf Ressa und ihr Medium ein. "Rappler" recherchierte und dokumentierte die regierungsnahen Accounts, von denen diese Kampagnen ihren Ausgang nahmen oder die sie multiplizierten. Im Zusammenspiel mit Staatsmedien. Und befeuert vom Präsidenten, der kritische, tatsachengetreue Berichterstattung als Fake-News desavouiert.

Tatsächlich und gezielt falsch war viel, was in den Social-Media-Kampagnen über Ressa verbreitet wurde, bis hin zu ihrer Herkunft. "Hass und Desinformation und Lügen werden auf Facebook zu Waffen." Und vor Gericht zitierten später die Behörden daraus.

"Wenn dich die Regierung angreift, verunsichert das alle", sagte Ressa in Perugia. Etwa auch Werbekunden, neben Userbeiträgen eine wesentliche Säule der Finanzierung auch von "Rappler": "Unsere Werbekunden versichern uns, dass sie hinter uns stehen. Aber sie stehen manchmal sehr weit hinter uns."

Millionenfache Lüge

"Wenn eine Lüge millionenfach wiederholt wird, dann wird sie für viele zur Wahrheit", sagte Ressa. "Das ist wie ein Virus, wir müssen dagegen ein Mittel finden." Eines davon: Menschen, die mit Absicht Lügen verbreiteten, müssten dafür verantwortlich gemacht werden. Faceboook müsse gegen diese Lügen vorgehen – mit Menschen, mit Journalisten. "Wir haben hier ein Handbuch für Diktatoren in aller Welt, und die sozialen Medien sind der entscheidende Faktor", sagte die mehrfach als Heldin der Pressefreiheit ausgezeichnete Journalistin: "Das ist nicht Politik, das ist Krieg. Ein asymmetrischer Krieg gegen die Wahrheit, gegen Fakten."

Zweimal wurde Ressa in den Tagen vor ihrem Flug zum Journalismusfestival verhaftet. Einmal von Spezialeinsatzkräften in voller Bewaffnung aus dem Flieger geholt. Beide Male wurde sie gegen Kaution freigelassen. Sie habe schon mehr für Kautionen ausgegeben als die verurteilte Imelda Marcos, die Witwe des früheren philippinischen Diktators. Ressa erwartet ein erstes Urteil in einem der elf Verfahren am 3. April.

"Solange die Welt hinsieht, was auf den Philippinen passiert, so lange gibt es uns", sagte Ressa. "Sonst wird es einfach, uns zum Schweigen zu bringen." (Harald Fidler, 5.3.2020)