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Der Windpark Middelgrunden im Meer vor Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt gilt als Vorbild beim Klimaschutz.

Reuters

Köln/Wien – Der am Mittwoch vorgestellte Entwurf für das europäische Klimagesetz ist fraglos sehr ambitioniert: Er sieht vor, die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis zum Jahr 2050 auf netto null zu reduzieren. Als Zwischenziel soll eine Emissionsminderung von 50 bis 55 Prozent bis ins Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 auf die Machbarkeit hin zumindest untersucht werden.

Falls die EU wirklich verbindlich beschließen sollte, dieses Ziel vorzuschreiben, käme das für Niklas Höhne, Professor für Klimaschutz an der Wageningen Uni in den Niederlanden, einem Durchbruch gleich: "Es wäre ein starkes Signal an die europäische Industrie, aber auch an die ganze Welt, dass die EU es ernst meint mit dem Klimaschutz. Auch würde es dem Pariser Klimaschutzabkommen neuen Aufwind geben."

Diskrepanz von Weg und Ziel

Höhne, der zudem das New Climate Institute in Köln leitet, hat aber unabhängig von der EU-Kommission am Mittwoch in einem Kommentar im Fachblatt "Nature" den aktuellen Status quo in Sachen Klimaschutz skizziert. Wie nicht weiter überraschend klaffen Anfang 2020 die Ziele und die Wege zum Erreichen dieser Ziele deutlich auseinander – so sehr, dass wir nach einem versäumten Jahrzehnt unsere Anstrengungen im Vergleich zu 2010 vervielfachen und/oder beschleunigen müssen.

Basis für den düsteren Befund waren die sogenannten Emissions Gap Reports des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Diese Berichte, die seit 2010 erscheinen, weisen für jedes Land die Diskrepanz zwischen den zugesagten Reduktionen beim Treibhausgasausstoß und den tatsächlichen Emissionen aus – und zeigen unter dem Strich, dass die 2010er-Jahre für den Klimaschutz ein verlorenes Jahrzehnt waren.

Sieben Prozent Rückgang jährlich

Hätte man im Jahr 2010 bereits konsequent mit dem Rückgang der Emissionen begonnen, dann wäre diese bis 2030 auf jährlich nur rund zwei Prozent beschränkt gewesen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Nun sind es drei Prozent Rückgang pro Jahr, die ab sofort nötig wären. Wenn wir das in Paris beschlossene Ziel einer Beschränkung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius erreichen wollen, müssten die Reduktionen ab sofort sieben Prozent betragen.

Auch das Zeitfenster für die Halbierung der globalen Emissionen hat sich verringert: Heute beträgt es nur noch zehn Jahre für 1,5 Grad Celsius und 25 Jahre für zwei Grad Celsius. Zum Vergleich: 2010 wären es noch 30 Jahre gewesen.

Immerhin hätten einige Länder, Regionen, Städte und Unternehmen dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen nicht nur versprochen, sondern zum Teil auch schon umgesetzt, betonen die Autoren und erwähnen als positive Beispiele unter anderem Costa Rica oder die Stadt Kopenhagen. Von der EU fordert Höhne, die Reduktion bis 2030 um 50 Prozent möglichst bald festzuschreiben – das könnte dann wirklich wegweisend für die Klimakonferenz im November 2020 sein. (tasch, 5.3.2020)