Im Gastkommentar erinnert Doris Guggenberger daran, dass aus Gleichstellungssicht wichtige bildungspolitische Ziele bis heute nicht erreicht seien. Ein Beispiel: Werkerziehung.

Ein "starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß" (Max Weber) kennzeichnete Johanna Dohnals Zugang zur Bildungspolitik. Nachdem sie im November 1979 in der Regierung Kreisky IV mit dem Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt betraut worden war, wurde die Gleichstellungspolitik des Unterrichtsministeriums wesentlich von ihrer frauenpolitischen Strategie der Einmischung beeinflusst. Dohnal konnte internationale Impulse aufgreifen wie die UN-Dekade der Frau 1975–1985 oder die 1982 ratifizierte UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau und konnte mit der Unterstützung von feministischen Frauengruppen rechnen. Schon in den 1970er-Jahren hatten das Sozialministerium, die sozialwissenschaftliche Forschung und die Interessenvertretungen begonnen, sich des geteilten Arbeitsmarkts und des geschlechtsspezifischen Berufswahlverhaltens anzunehmen.

Hörte den Frauen zu: Johanna Dohnal bei einer ihrer Sprechstunden.
Foto: Fritz Kern / Derflinger productions

Harte Bretter

Zwar hatte sich Anfang der 1980er-Jahre der Bildungsstand der Mädchen und Frauen im Vergleich zu vorangegangenen Jahrzehnten deutlich erhöht, die geschlechtsspezifische Durchmischung der mittleren und höheren Schulen sowie der Lehrlingsausbildung ging jedoch – trotz der Einführung der Koedukation im Jahr 1975 – nur sehr langsam vor sich. Der Anteil der Mädchen, die eine frauenspezifische Ausbildung ohne klares Berufsziel oder mit der Hauptorientierung auf die Rolle der Hausfrau und Mutter anstrebten, war Anfang der 1980er-Jahre sogar höher als zehn oder 20 Jahre vorher. Das Interesse der männlichen Schüler an traditionell weiblichen Ausbildungszweigen war minimal. Gegen den Widerstand von Interessenvertretungen, kirchlichen Stellen und Verbänden gelang es, bedeutsame rechtliche Grundlagen zur Ausweitung gleicher Bildung für Mädchen und Burschen zu beschließen. Dazu zählen insbesondere die Umbenennung und Umgestaltung traditioneller Mädchenschulen und die Gleichstellung aller Pflichtschullehrerinnen und -lehrer. Es war vor allem Dohnal, die den Kampf der Arbeitslehrerinnen um Anerkennung und Gleichstellung unterstützte.

Dohnal gab die Themen vor. Dazu zählten in den 1980er-Jahren vor allem Maßnahmen zur Berufsorientierung wie die Aktion "Töchter können mehr", die Frauenförderung im öffentlichen Dienst und nicht zuletzt die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Langjährige Bemühungen zur sprachlichen Gleichbehandlung führten zu Klarstellungen in der Verfassung und in dienstrechtlichen Vorschriften. Erst 1988 wurde Dohnal – sprachlich gesehen – zur Staatssekretärin. Sexismus sowie die einseitige Darstellung von Frauen und Männern in Schulbüchern war europaweit und auch in Österreich ein Thema und führten 1980 unter der Federführung des Staatssekretariats für allgemeine Frauenfragen zu Richtlinien des Bundeskanzleramts "für eine realitätsbezogene Darstellung von Frauen und Männern in den österreichischen Schulbüchern", zu mehreren Schulbuchenqueten gemeinsam mit dem Unterrichtsministerium und zu einer Reihe von Schulbuchanalysen.

Zähe Verhandlungen

Die Aktionsfelder der Gleichstellungspolitik der 1990er-Jahre glichen jenen der 1980er-Jahre. Manche Problembereiche ziehen sich jedoch bis in die Gegenwart. Dazu ein Beispiel.

Dohnals Ziel gleicher Lehrpläne für Mädchen und Burschen in der Sekundarstufe I konnte während ihrer Regierungsbeteiligung bis 1995 nicht vollständig erreicht werden. Nachdem der damalige Minister Fred Sinowatz bereits 1979 gleiche Lehrpläne für Mädchen und Burschen im Gegenstand Werkerziehung in der Volksschule eingeführt hatte, wurde diese Forderung von Dohnal auch für die Sekundarstufe I immer wieder erhoben. Jahrelange politisch-pädagogische Auseinandersetzungen und zähe Verhandlungen zwischen den politischen Parteien und zwischen Fachvertretung und Schulverwaltung folgten. Teilerfolge gelangen 1987/88 beziehungsweise 1993 mit der Einrichtung der alternativen Pflichtgegenstände Technisches Werken sowie Textiles Werken. Diese Wahlmöglichkeit führte in ländlichen Gebieten dazu, dass Mädchen bis auf wenige Ausnahmen Textiles Werken wählten und Burschen zu 100 Prozent Technisches Werken – somit keine guten Voraussetzungen für eine geschlechtsuntypische Schul- und Berufswahl!

Unmut und Widerstand

Erst 2012 kam es zu einem neuen Anlauf des Bildungsministeriums zur Lösung der Werkerziehungsfrage. In der Neuen Mittelschule wurden die getrennten Unterrichtsgegenstände zusammengeführt und damit für Mädchen und Burschen verpflichtend: Technisches und Textiles Werken. Unmut und Widerstand der Fachvertretung und der Ausbildungsinstitutionen der Lehrerinnen und Lehrer richteten sich gegen die geplante Zusammenlegung auch in den AHS, die 2016 unter Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek eingeleitet und unter Sonja Hammerschmid beschlossen wurde. Das Inkrafttreten mit 1. 9. 2021 steht jedoch erst bevor: 42 (!) Jahre nachdem erstmals in der Volksschule für Mädchen und Burschen der Zugang zu beiden Bereichen des Werkens eröffnet worden war und vier Jahrzehnte nachdem sich Dohnal dafür starkgemacht hatte.

Die Geschichte zeigt: Veränderungen im Bildungswesen erfolgen langsam. Aus Gleichstellungssicht wichtige bildungspolitische Ziele sind bis heute nicht erreicht: der Abbau der Geschlechtersegregation bei der Ausbildungswahl und der Abbau der Geschlechterdifferenzen in der Kompetenzentwicklung. Die Werkerziehung ist ein Mosaikstein zur Erreichung dieser Ziele. (Doris Guggenberger, 5.3.2020)