Um den Ärztemangel am Land zu reduzieren, will die Regierung Anreize für Studierende schaffen.

Foto: Heribert Corn

Wenn der Bergdoktor Leben rettet, verfolgen tausende Menschen jede Woche am Donnerstagabend den Schauspieler Hans Sigl in der gleichnamigen Fernsehserie auf ZDF. Die Begeisterung der Medizinstudierenden für ein Leben als Landarzt hält sich allerdings in Grenzen, zeigt die Statistik.

Denn österreichweit sind derzeit 95 Kassenstellen für Allgemeinmedizin und 62 Facharztstellen unbesetzt. Dazu kommt, dass viele Ärzte in den kommenden Jahren in Pension gehen – gleichzeitig steigt aber der Bedarf an medizinischer Versorgung, weil die Bevölkerung immer älter wird. Laut Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer, kommt es vor allem in der Allgemeinmedizin, der Kinder- und Jugendheilkunde sowie in der Gynäkologie zu deutlichen Lücken. In Niederösterreich fehlen etwa 22 Allgemeinmediziner, in Oberösterreich gar 28. Besonders auf dem Land ist diese Entwicklung zu spüren, mittlerweile sei sie aber auch in den Städten angekommen, sagt Steinhart.

Zwar absolvierten laut Statistik Austria im Studienjahr 2017/2018 rund 1.500 Studierende ihr Humanmedizinstudium – genügend, wie die Rektoren der Medizinischen Unis Wien, Graz und Innsbruck bereits im Herbst gemeinsam betonten. Das Problem ist aber vielmehr die Verteilung der Ärzte. Denn nur sechs von zehn Absolventen bleiben in Österreich, weil sie hierzulande lange auf einen Ausbildungsplatz warten müssen. Oder sie finden es wenig attraktiv, als Landärztin oder -arzt zu arbeiten, und bleiben in der Stadt. Besonders die veränderten Bedürfnisse der Patienten wie auch die Erwartungen junger Ärzte seien laut Gesundheitsministerium eine große Herausforderung bei der Suche nach geeigneten Landärzten.

Krankenhaus statt Praxis

Ähnlich sieht das Martin Schalk. Der 23-Jährige studiert im zehnten Semester Medizin in Wien und denkt, dass sich viele Absolventen auf ihre Karriere konzentrieren wollen und sich deshalb für ein Krankenhaus statt eine Landarztpraxis entscheiden. In einem großen Spital stünden einem später mehr Möglichkeiten offen, und man bekomme es eher mit selteneren Fällen zu tun.

In ländlichen Regionen habe man hingegen ein engeres Verhältnis zu den Patienten, sagt Medizinstudentin Ines Kickinger, die ebenfalls kurz vor dem Abschluss steht. Man kenne die Patienten, betreue vielleicht eine ganze Familie. "Das kann nett sein. Aber als zugewanderter Neuankömmling wird man vielleicht auch schief angeschaut", sagt die 24-Jährige. Sie befürchtet, dass es schwierig sein könne, eine Praxis zu übernehmen, "weil man stets mit dem Vorgänger verglichen wird".

Um dem künftigen Mangel entgegenzuwirken, plant die türkis-grüne Regierung in ihrem Regierungsprogramm Landarztstipendien. Das seien "spezielle Studienplätze an öffentlichen Universitäten", heißt es dort. Wer einen solchen Platz annimmt, verpflichtet sich, für einen befristeten Zeitraum in Österreich als Arzt oder Ärztin zu arbeiten. Eine langfristige Entscheidung direkt nach der Schule: Immerhin dauert das Studium schon sechs Jahre, mit der Ausbildung können es knapp zehn werden. Von den Ministerien heißt es dazu, dass die Verträge dann entsprechend gestaltet werden müssten – ohnehin gebe es noch keine konkrete Ausgestaltung der Stipendienplätze.

Benefits für Landärzte

Aus Sicht der Ärztekammer sind das "denkbare Maßnahmen". Auch das Burgenland bietet etwa Ausbildungsunterstützungen an. Für Studierende der Kremser Privatuni gibt es eine Prämie, wenn sie in Niederösterreich tätig werden. Das könne besonders in strukturschwächeren Regionen eine Lösung sein. Doch würden diese Maßnahmen erst in einigen Jahren wirksam und seien "keine Akutrezepte", sagt Steinhart.

Um den ländlichen Raum für junge Ärzte zu attraktivieren, müsse laut Steinhart zudem die Tätigkeit des Hausarztes aufgewertet werden. Er begrüßt, dass die Regierung mit der geplanten Facharztausbildung für Allgemeinmediziner auf eine langjährige Forderung der Kammer eingehe. Darüber hinaus sollten Karriere und Familie besser miteinander vereinbart werden können – etwa durch die Möglichkeit für Kassenärztinnen und Kassenärzte, in Karenz zu gehen. Auch Gruppenpraxen würden die Vereinbarkeit erleichtern.

"Durch Stipendien können sicher neue Landärzte gewonnen werden", vermutet Martin Schalk. Aus seiner Sicht sei es aber sinnvoller, bereits während des Studiums mehr Angebote wie bezahlte Praktika bei Hausärzten anzubieten. "Das bringt interessierte Studierende früh in Kontakt mit dem Beruf." Studentin Kickinger könnte sich eine Stelle als Landärztin durchaus vorstellen. Dass die Tätigkeit eines Landarztes nicht immer filmreif ist, sei klar. Dennoch könne sie sehr vielseitig sein. Denn am Land sei man eher die erste Anlaufstelle, weil es nicht so viele Facharztpraxen und Krankenhäuser wie in der Stadt gibt. "Man ist in verschiedenen Bereichen tätig und behandelt entgegen dem Klischee nicht nur Husten und Schnupfen", sagt Kickinger. (Jakob Pflügl, 5.3.2020)