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Seit Jänner können alle öffentlichen Schulen in England auf Staatskosten Binden, Tampons, Menstruationstassen und weitere Alternativen bestellen. In Schottland stellen Schulen und Unis bereits seit einem Jahr kostenlose Hygieneprodukte zur Verfügung.

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Schülerinnen, die Tampons mehrmals verwenden oder Binden durch Socken ersetzen, weil sie sich Menstruationsprodukte nicht leisten können: Als die Britin Amika George 2017 einen BBC-Beitrag zu Periodenarmut in Großbritannien sieht, ist sie schockiert, erzählt die heute 20-Jährige.

Der Missstand wird öffentlich, als eine Schule in Leeds bei der Wohltätigkeitsorganisation Freedom for Girls um Spenden anfragt. Der Grund: Zu viele Mädchen hätten Fehlstunden wegen ihrer Periode. Eigentlich versorgt die NGO Mädchen in Kenia mit Hygieneartikeln, doch auch in Großbritannien kann sich eines von zehn Mädchen keine Tampons oder Binden leisten – und ist damit von Periodenarmut betroffen, wie eine Studie der Kinderhilfsorganisation Plan ergab.

Das ist der Moment, in dem George beschließt, aktiv zu werden. Sie gründet den Verein Freeperiod, der das Ziel hat, in allen Schulen gratis Menstruationsprodukte bereitzustellen. Sie startet eine Petition und fordert Parteien auf, ihre Idee ins Regierungsprogramm aufzunehmen. Und als sie eine Demonstration vor der Residenz der damaligen Premierministerin Theresa May organisiert, kommen 2.000 Demonstrierende. Hauptsächlich junge Frauen in roter Kleidung und mit bunten Plakaten.

Hygieneprodukte an Schulen

Nach knapp drei Jahren trägt Georges Arbeit Früchte: Seit Jänner können alle öffentlichen Schulen in England auf Staatskosten Binden, Tampons, Menstruationstassen und weitere Alternativen bestellen. In Schottland stellen Schulen und Unis bereits seit einem Jahr kostenlose Hygieneprodukte zur Verfügung. Künftig sollen in Schottland alle, die es benötigen, Produkte gratis erhalten.

Besonders im angloamerikanischen Raum ist eine Gratisversorgung auch an Hochschulen verbreitet: An den Unis Edinburgh, Sussex, Yale und Columbia wird sie vom Unibudget gedeckt.

"Mein endgültiges Ziel ist es, Menstruationsprodukte an allen öffentlichen Orten für alle bereitzustellen, die sie benötigen. So wie es bereits mit Klopapier und Seife passiert", sagt Amika George zum STANDARD. Die Geschichtestudentin an der Uni Cambridge will mit ihrem Engagement aber nicht nur strukturelle Ungleichheiten überwinden, sondern auch die Menstruation entstigmatisieren.

Menstruation ist ein Tabuthema

"Die Monatsblutung ist immer noch ein Thema, das mit Scham behaftet ist", sagt Hannah Svoboda vom Referat für feministische Politik der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH). So wird der Tampon auf dem Weg zur Toilette oft versteckt. Durch Namen wie "rote Grütze" oder "Erdbeerwoche" erfolge eine sprachliche Tabuisierung. "Öffentlich zugängliche Menstruationsartikel haben den Vorteil, das gesellschaftliche Tabu der Menstruation zu adressieren und Sichtbarkeit und Sensibilisierung zu fördern", sagt Svoboda.

An der Universität von Sunderland ging die Studierendenvertretung sogar so weit, ein Werbevideo zu drehen, um Studierende zu motivieren, sich bei ihnen Menstruationsprodukte abzuholen. Und in Deutschland machte indes die Bergische Universität Schlagzeilen, als der Allgemeine Studierendenausschuss Tampons am Männerklo bereitlegte, um keine Geschlechteridentitäten zu diskriminieren. Das betont auch Svoboda: "Bei der Einführung von Monatshygieneartikeln ist zu beachten, dass heteronormative Ausschlussmechanismen nicht reproduziert werden." Also dass Menschen, die im anderen Körper geboren wurden, biologisch nicht Mann oder Frau sind oder sich nicht klar einem Geschlecht zugehörig fühlen, nicht diskriminiert werden. Deshalb werden auch an der Akademie der bildenden Künste in Wien Menstruationsartikel auf allen Toiletten platziert.

Test in Klagenfurt

Damit ist die Akademie eine der wenigen österreichischen Unis, die für ihre Studierenden kostenlose Hygieneprodukte bereitstellt. Die Uni Klagenfurt führt seit Ende 2019 dazu einen Testlauf durch, und seit Jahresbeginn gibt es auf dem Campus der Uni Graz Spender mit gratis Slipeinlagen und Tampons. "Studentinnen geben uns die Rückmeldung, dass es für sie eine Erleichterung darstellt, immer ‚versorgt‘ zu sein", sagt Viktoria Wimmer vom Referat für feministische Politik der ÖH Uni Graz. Die Kosten trägt die Uni. Die ÖH-Bundesvertretung hat noch keine flächendeckenden Pläne, Hannah Svoboda fordert aber "den kostenlosen Zugang zu Menstruationsartikeln in allen öffentlichen Bildungseinrichtungen".

Wie viele Personen in Österreich von Periodenarmut betroffen sind, ist unklar. Die Umsatzsteuer von 20 Prozent auf Hygieneprodukte sorgte in der Vergangenheit aber für vehemente Kritik. Auch als Antwort darauf versprach die Regierung im Jänner, die sogenannte Tamponsteuer zu reduzieren. Ob das zur finanziellen Entlastung der Konsumentinnen führt, ist aber fraglich. Nach der Steuersenkung in Deutschland kündigten immerhin einige Hersteller an, die Preise erhöhen zu wollen.

Für Svoboda ist die Steuersenkung ohnehin nur ein erster Schritt: "Angesichts geschlechtlicher Ungleichheit in Österreich wäre es angebrachter die Besteuerung von allen Hygieneprodukten des täglichen Bedarfs wie Menstruationsartikeln und Babywindeln komplett abzuschaffen." Weitere Schritte wären für sie gendersensible Sexualkunde und eine unkomplizierte Freistellung von der Arbeit bei Regelschmerzen. ( Sarah Yolanda Koss, 9.3.2020)