Ein Park, viele verschiedene Nutzungen – bei Gender-Planning denkt man darüber nach, wie unterschiedlich Bedürfnisse sein können.

Foto: Istockphoto/Starcevic

Wer jung ist und viel arbeitet, für den spielt die Wohnumgebung oft keine große Rolle, sagt Eva Kail, Expertin für Gender-Planning bei der Stadt Wien. Doch dann kommen Kinder, und plötzlich ändere sich das schlagartig. Im Park ums Eck, in dem man bisher vielleicht zweimal Zeitung gelesen hat, "kennt man dann auf einmal jeden Stein, Hund und Grashalm", sagt sie.

Lebenslagen ändern sich, darauf müssen Architektur und Stadtplanung eingehen, ebenso wie auf die von vornherein unterschied lichen Anforderungen der Menschen – damit beschäftigt sich Gender-Planning. Es ist keineswegs ein Gebiet, das sich nur mit weiblichen Bedürfnissen beschäftigt. Bei der Stadt Wien "schauen wir uns die Alltagsmuster aller Zielgruppen genauer an", so Kail.

Dazu gehören Fragen wie: Wo arbeiten die Menschen? Wer ist selten zu Hause und wer sehr viel? Vor allem die Care-Arbeit, die in den eigenen vier Wänden statt findet, werde in der traditionellen Planung oft ausgeblendet, so Kail. Dazu gehört etwa, dass der Kinderwagenabstellraum groß ist und in der Nähe des Lifts. Oder dass die Waschküche, die viel verwendet wird, nicht in der Tiefgarage verwinkelt im letzten Eck liegt, sondern im Erd- oder Dachgeschoß und eventuell mit einer Spielmöglichkeit für Kinder verbunden ist.

Auch der Fahrradabstellraum spielt eine Rolle, "er kann gar nicht groß genug sein, wenn man bedenkt, welchen ‚Fuhrpark‘ Kinder heute haben", so Kail. Gerade die Nebenräume seien ein Thema, das von Architekten oft vergessen werde, so Kail: "Genügend Abstellraum ist aber wichtig, ob in der Wohnung oder im Gebäude."

Auch gute Wohnungsgrund risse sind im Idealfall flexibel. Kail erzählt von einem Vorzeigebeispiel, dem von Elsa Prochazka geplanten Bauteil in der Frauen-Werk-Stadt: In den Wohnungen sind alle Räume gleich groß. Leichtbauwände können einfach entfernt und Zimmer damit getrennt genutzt oder einfach zusammengelegt werden.

Rituale im Alltag

Und: "Die Küche wird als Arbeitsraum ernst genommen", sagt Kail und betont, dass ihr Fachbereich auf Hausarbeit Rücksicht nimmt, das aber keineswegs bedeute, dass es sich dabei um Frauenarbeit handle bzw. man Geschlechterrollen festschreiben wolle. "Auch wenn es empirisch gesehen immer noch so ist, dass Frauen die meiste Hausarbeit leisten, brechen diese Geschlechterrollen in den jüngeren Generationen immer weiter auf", so Kail.

Und die Architektin Sabine Pollak ergänzt: "Es gibt keine typisch weiblichen und männlichen Alltagsmuster mehr, Bauten müssen daher ganz allgemein Rituale unterschiedlicher Menschen berücksichtigen." Auch sie bestätigt, dass immer noch viele Frauen bei den Kindern bleiben und Männer das nicht tun können oder wollen. "Wenn ein Wohnbau dann noch isolierend wirkt, man nie rauskommt, weil es keine Gemeinschaftsflächen gibt, kann das die Situation von Frauen noch verschlechtern", sagt Pollak. Mit guter Architektur könne ihr Alltag leichter gemacht werden.

Dabei spielt es auch eine Rolle, wer plant. Architektinnen gehen in der Regel stärker auf unterschiedliche Bedürfnisse ein, hat Kail beobachtet: "Sie bedenken eher, was Zielgruppen im Alltag brauchen", sagt sie und erzählt von einem Städtebauwettbewerb mit anonymen Bewerbern, an dem vier Männer und eine Frau teilgenommen haben. "Wir waren uns ziemlich sicher, welches_Projekt von einer Frau entworfen wurde, weil es eine sehr sensible Analyse der Umgebung beinhaltete und darauf reagierte", so Kail.

Räume von Männern

Am Ende habe sich der Entwurf von Claudia König dann auch durchgesetzt. Pollak glaubt hingegen nicht, dass es einen Unterschied im Entwerfen von Männern und Frauen gibt, "so etwas kann nicht in den Genen liegen", sagt sie und kritisiert: "Viele Räume sind von Männern konstruiert. Denn obwohl immer mehr Frauen Architektur studieren, sind sie unter den tatsächlich bauenden Architekten vollkommen unterrepräsentiert."

Nicht nur in Gebäuden, auch im öffentlichen Raum spielt bedürfnisorientierte Planung eine Rolle. Jugendliche haben etwa ganz spezifische Muster und Verhaltensweisen, die bei der Planung von Parks und Plätzen eine Rolle spielen. Das Vermeiden von Angsträumen ist für beide Geschlechter relevant, wie Pollak betont. Ein paar frauenspezifische Aspekte gibt es dann aber doch. So wisse man etwa, so Pollak, dass Frauen mehr Versorgungs- und Begleitwege zurücklegen und mehr mit Öffis unterwegs sind. Und: Frauen denken früher daran, wie sie im Alter leben werden. "Männer tun das weniger. Sie denken: Irgendeine Frau wird schon für mich sorgen." (Bernadette Redl, 7.3.2020)