Teilzeitfalle, Mindestpension und Marginalisierung: "Wenn Frauen ganztags arbeiten, dann wird es auch schwierig, sie nicht zu berücksichtigen."

DerStandard

Gundi Wentner zählt zu jenen Personen, die Personalberatung, Management- und Leadershipconsulting in Österreich etabliert haben. Sie hat auch durchgängig die Gleichstellung – nicht immer unter Applaus – thematisiert.

STANDARD: Nach 25 Jahren Ihres Einsatzes für Gleichstellung in der Jobwelt – wo halten wir?

Wentner: In puncto Repräsentanz von Frauen, der Verteilung von Geld und Mach, halten wir dort, wo wir vor 25 Jahren waren.

STANDARD: Muss auch die 30-Prozent-Quote in Aufsichtsräten erst ihre Wirkung entfalten?

Wentner: Langfristig wird sie das schon, allerdings hat die knapp zwei Jahre bestehende Regelung nur für wenige Unternehmen Gültigkeit. Dazu sehen wir, dass in den Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, die Zahl der Aufsichtsrätinnen und der weiblichen Vorsitzenden zurückgegangen ist – es ist also auch eine Frage, was politisch erwünscht ist. Aber selbst wenn der Aufsichtsrat Druck erzeugt mittels operativer Ziele und Strategien – es sind überwiegend männliche Vorstände, die das verstehen und verinnerlichen müssen. Das greift ja tief in Prozesse ein, ins Talentmanagement, in die Führungskräfteentwicklung, es erfordert Konsequenz und ist ein massiver Change-Prozess.

STANDARD: Geht es nicht grundsätzlich um Machtneuverteilung?

Wentner: Na ja, Frauen werden ja nicht bewusst, vorsätzlich, ausgeschlossen, sondern mittels subtiler, tendenziell unbewusster Prozesse, etwa durch Rekrutieren nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit. Dass jemand sagt, "wir befördern bewusst keine Frauen", ist ja nicht zu hören, allerdings beginnt der Prozess des Ausschließens früh, etwa mit "die ist jung und könnte bald schwanger werden".

STANDARD: Was hat sich also verändert?

Wentner: Das Bewusstsein, dass man sich mit Gleichstellung beschäftigen muss, ist da. Viele Unternehmen verstehen, dass es einen Gender-Pay-Gap gibt, und viele wollen das nicht, haben Maßnahmen ergriffen oder in Vorbereitung, weil sie das ändern wollen.

STANDARD: Helfen da auch Regeln wie etwa die EU-Richtlinie zur Pflicht des Reportings über nichtfinanzielle Belange für Börsennotierte?

Wentner: Ja, das ist hilfreich. Allerdings sehe ich aktuell in der gesamten Nachhaltigkeitsthematik die Tendenz, dass Diversität hintangereiht wird.

STANDARD: Sie haben kürzlich das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik erhalten. Haben Sie gezögert, es anzunehmen?

Wentner: Keine Sekunde. Nicht unter dem Motto "wer, wenn nicht ich", sondern es geht da einerseits auch um eine Auszeichnung für das Unternehmen, andererseits um Sichtbarkeit von Frauen. Wir müssen sichtbarer werden – ich meine damit vor allem Frauen in schlechtbezahlten, schweren Berufen, in der Familienarbeit. Also hat das Ehrenkreuz auch symbolische Bedeutung.

STANDARD: Was brauchen wir dringend für die Gleichstellung?

Wentner: Der größte Brocken sind Ganztagsschulen. Im Kindergarten geht es noch so halbwegs, dann wird es problematisch, in dieser Zeit verspielen Frauen ihre Karrieren und auch ihr Pensionsgeld – 17 Jahre Teilzeit zu arbeiten geht einfach nicht. Wenn Frauen ganztags arbeiten (können), dann wird es auch schwierig, sie nicht zu berücksichtigen im Unternehmen.