Fischt im Teich der Hoffnungslosigkeit: Die Autorin Marion Messina.

Foto: Le Dilettante

Marion Messina kann sie gut, diese Sätze, die am Schluss eines Kapitels oder längeren Absatzes stehen und dem Leser ein genau vorbereitetes K. o. verpassen. Da steht dann zum Beispiel: "Tatsächlich hieß Chancengleichheit nichts anderes, als dass Hase und Schildkröte an derselben Startlinie standen."

Oft verwendet die Autorin diese Kursivierungen; sie markieren ein zynisches Augenverdrehen, sind sie doch für ihre Protagonistin Aurelié leere Begriffe. So etwas wie Chancengleichheit gibt es nicht, in keiner Welt und schon gar nicht in ihrer.

Wieder einmal ein gesellschaftskritischer Roman aus Frankreich; geschrieben von einer jungen Frau über eine noch jüngere Frau. Messina, 1990 in Grenoble geboren, erzählt die Geschichte von Aurelié, die am Ende des Romans 20 Jahre sein wird. Auch sie beginnt ihr Jusstudium in Grenoble als Arbeiterkind mit Aufstiegshoffnungen.

Wäre sie mit Finanzpölsterchen geboren worden, hätte sie Literatur studiert, aber Aurelié muss – will sie als Schildkröte vorankommen – ans Geld denken. Um das zu verdienen, scheinen ihr die Rechtswissenschaften erfolgversprechender, auch wenn sie sich beim Studium zu Tode langweilt.

Wenig Gestaltungsmöglichkeit

Auch bei ihren Männergeschichten, die den kurzen und kurzweiligen Roman vorantreiben, muss sie sich mit dem zufriedengeben, was sie kriegt, hat selbst wenig Gestaltungsmöglichkeit. Da ist ihre große Liebe Alejandro aus Kolumbien, der wie sie unterprivilegiert ist, aber unter anderen Voraussetzungen: Er kämpft damit, der ewige Fremde, der weder in sein Herkunftsland noch in die Wahlheimat passt, zu sein, rastlos fühlt er sich zu Höherem bestimmt.

Er duldet Aurelié, während der gutsituierte, viel ältere Franck sie später nach ihrem Umzug nach Paris aushalten wird. "Seit Monaten prostituierte sie sich unter besten Bedingungen", schreibt Messina lakonisch über die Beziehung, die Aurelié vor allem ein Dach über dem Kopf garantiert.

Als Springerin in Paris, die um sechs Uhr früh für triste Jobs als Empfangsdame bereitstehen muss, hat sie nicht einmal Zeit, sich eine Wohnung zu suchen. Da ist sie wieder die Kursivierung, die sagt: 16 qm Löcher um Wucherpreise sollte kein Mensch Wohnung nennen müssen.

Unmissverständliche Kritik

Fehlstart ist unmissverständlich in seiner Kritik. Messinas Debüt ist eine Milieustudie, ein Roman übers Scheitern im Allgemeinen und freilich auch das Porträt einer heranwachsenden Frau, das die spezifischen Probleme des Frauseins wunderbar in Worte zu fassen vermag.

Das Fischen im Teich der Hoffnungslosigkeit, die sprachliche Härte und natürlich auch die Sexszenen haben der Autorin bereits Vergleiche mit Houellebecq eingebracht, wobei dieser, wenn er gerade nicht auf reine Provokation hinschreibt, die weitaus feinere Klinge wählt, mehr Interpretationsspielraum zulässt.

Messinas Roman soll beim Lesen vor allem wehtun. Man sieht der Autorin oft dabei zu, wie sie den Schmerz herbeischreibt, ohne, dass man ihn wirklich fühlt. Hier hätte Fehlstart etwas mehr Subtilität und etwas weniger Zynismus, der ja nur dazu dient, nicht nach erhobenem Zeigefinger zu klingen, gutgetan. (Amira Ben Saoud, 7.3.2020)