Nachdem Experten die Echtheit des Gemäldes bestätigt hatten, organisierte David Norsworthy, der damalige Geschäftsführer des renommierten "Burlington Magazine", 1969 eine Präsentation beim Londoner Kunsthändler Agnew’s.

Foto: Keystone Pictures USA, Courtesy Simon Dickinson (London)

Der Hype rund um Vincent van Gogh ist seit Jahrzehnten eine berechenbare Konstante. Über die Jahre bescherte eine überschaubare Anzahl seiner Werke Rekorderlöse, und Museen erfreuen sich im Falle von ihm gewidmeten Ausstellungen regelmäßig eines regelrechten Besucheransturms. Erst jüngst vermeldete das Städel-Museum die Bilanz zu der Mitte Februar beendeten Schau Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe: Mit exakt 505.740 Besucher wurde sie für die Frankfurter Institution zur meistbesuchten Ausstellung aller Zeiten.

Ein Wert, den van Goghs Sonnenblumen (1888) heuer in Japan wohl hätten generieren, wenn nicht sogar übertreffen können. Das berühmte Gemälde ist eines von insgesamt 60 Meisterwerken aus dem Bestand der National Gallery in London, deren Gastspiel eigentlich am 3. März in Tokio beginnen sollte, um ab Juli in Osaka zu sehen zu sein.

So weit die Planung vor den gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus. Ende vergangener Woche ordnete das japanische Kulturministerium eine vorerst für zwei Wochen anberaumte Schließung der Museen an. In London hofft man auf eine ehestmögliche Eröffnung der Ausstellung. Vermutlich auch ob drohender finanzieller Konsequenzen. Denn eine Verkürzung der Schau könnte potenziell auch die Leihgebühr reduzieren, die sich dem Vernehmen nach auf etwa eine Million Euro belaufen soll.

Fund beim Trödler

Ein Vielfaches dessen wird jedenfalls jener Käufer berappen müssen, der sich ein Highlight aus dem Angebot der aktuell angelaufenen "The European Fine Art Fair" (Tefaf, bis 15.3.) in Maastricht zu fischen gedenkt: ein von Simon Dickinson (London) präsentiertes Gemälde von van Gogh, das im Juli 1885 entstand und auf dem eine Bäuerin vor einer Hütte zu sehen ist. So unspektakulär das Motiv auch wirken mag, die außergewöhnliche Geschichte der Entdeckung dieses Werkes ist erzählenswert.

1968 entdeckte ein gewisser Luigi Grosso bei einem Trödler in London dieses mit "Vincent" signierte Bild, das eine Bäuerin vor einer Hütte zeigt und sich als echtes Van-Gogh-Werk entpuppte. Kurz davor war es in Staffordshire unerkannt für nur vier Pfund versteigert worden. Bei der Tefaf-Kunstmesse buhlt es jetzt für 12 bis 15 Millionen Euro um die Gunst Vermögender.
Foto: Simon Dickinson (London)

Rekonstruiert wurde sie von Martin Bailey, einem bekannten Autor des Fachmagazins The Art Newspaper, der auch als Kurator mehrerer Ausstellungen mit dem Œuvre des Künstlers vertraut ist. Seinem jüngst veröffentlichten Artikel zufolge entdeckte ein gewisser Luigi Grosso, der für die BBC arbeitete, bei einem Londoner Trödler im September 1968 das mit "Vincent" signierte Gemälde und kaufte es für 45 Pfund oder umgerechnet 115 Euro. Ein unglaubliches Schnäppchen, wie sich herausstellen sollte.

Kurz davor hatte die Hayward Gallery eine große Van-Gogh-Retrospektive gezeigt, und Grosso kontaktierte den damaligen Kurator Alan Bowness, der damals am Courtauld Institute lehrte. Obwohl skeptisch, veranlasste dieser eine Röntgenaufnahme des Bildes.

Unter der Landschaft wurde eine frühere Komposition sichtbar, die einen Mann beim Pflügen mit einem Ochsen zeigte und eine Verwandtschaft zu einem Van-Gogh-Gemälde vom August 1884 aufwies. Das Bild wurde von niederländischen Experten untersucht und dessen Echtheit bestätigt.

Spur nach Staffordshire

Rätselhaft blieb, wie es einst überhaupt nach England gekommen war. Bailey recherchierte und fand erste Hinweise im Briefwechsel zwischen Vincent und seinem Bruder Theo. Demnach hatte ihm ein in Den Haag ansässiger Händler für Künstlerbedarf angeboten, einige Bilder des Künstlers in seinem Schaufenster zu präsentieren. Van Gogh nutzte die Gelegenheit. Offenbar erfolgreich, denn 1929 tauchte es im britischen Staffordshire auf.

Dort war es – an einer Zahlung für eine Lieferung statt – in den Besitz eines Mais- und Strohlieferanten namens John Holme gekommen. Zuerst hängte es die Familie ins Kinderzimmer, verbannte es dann aber später auf den Dachboden. Als Holmes Sohn 1968 in Pension ging, veranstaltete ein auf landwirtschaftliche Güter spezialisiertes Auktionshaus eine Versteigerung ab Hof. Für nur vier Pfund wechselte es den Besitzer und landete schließlich in London.

Von London nach New York

Wie es dort nach der Bestätigung der Echtheit durch Experten weiterging? Im März 1969 war das Peasant Woman in front of a Farmhouse betitelte Bild kurz in einer vom renommierten Burlington Magazine organisierten Präsentation beim Londoner Kunsthändler Agnew’s zu sehen. Zu dieser Zeit entstand ein Foto, das den damaligen Geschäftsführer des Fachmagazins, David Norsworthy, zeigt, wie er das Gemälde einfach unterm Arm zur Ausstellung transportiert.

Durch die Röntgenaufnahme wurde eine frühere Komposition sichtbar. Sie zeigte einen Mann beim Pflügen mit einem Ochsen, ein Motiv, das Ähnlichkeiten zu einem Van-Gogh-Gemälde von 1884 aufwies.
Foto: Simon Dickinson (London)

Grosso, der glückliche Finder, übergab das Bild dem Auktionshaus Sotheby’s, das es 1970 in New York versteigerte. Für 110.000 Dollar erwarb es der Hollywood-Filmproduzent Joseph Edward Levine. Bis 2001 wechselte das Bild weitere drei Mal via Sotheby’s den Besitzer: 1983 für 390.000 Dollar, 1985 für 260.000 Pfund (damals umgerechnet 284.000 Dollar) und zuletzt 2001 für 1,7 Millionen Dollar (inkl. Aufgeld). Der bislang anonyme amerikanische Besitzer entschloss sich jetzt für einen Verkauf über Simon Dickinson.

Rares Gastspiel in der Albertina

Den Kaufpreis will man offiziell nicht beziffern, jedoch soll er irgendwo zwischen zwölf und 15 Millionen Euro liegen. Ein wohl dem Motiv geschuldeter Bruchteil deutlich darüber liegender Auktionsergebnisse. Das höchste datiert vom Mai 1990, als Christie’s van Goghs Porträt des Dr. Gachet (1890) zu einem Schätzwert von 40 bis 50 Millionen Dollar offerierte. Stattdessen wechselte es, inklusive Aufgeld, für enorme 82,5 Millionen Dollar (aktueller Gegenwert etwa 150 Millionen) in den Besitz eines Japaners.

Im Vergleich zu solchen Unsummen fallen 16,90 Euro tatsächlich in die Kategorie Schnäppchen. So viel kostet ein Ausstellungsbesuch in der Albertina, wo derzeit (bis 24. 5.) die Sammlung Hahnloser gastiert. Das Schweizer Ehepaar Arthur und Hedy Hahnloser besaß einst 19 Werke von van Gogh, sechs davon kann man jetzt in Wien bewundern.

Dazu gehören Verblühte Sonnenblumen (1887) und Der Sämann (1888) und vor allem das Nachtcafé in Arles (1888): Die Gouache, deren Farben weit intensiver leuchten als in der Version in Öl (Yale University Art Gallery, New Haven), reist nur sehr selten und kann hier erstmals seit 1984 außerhalb der Schweiz bewundert werden. (Olga Kronsteiner, 7.3.2020)