In Österreichs Redaktionen arbeiten etwa gleich viele Frauen wie Männer. Laut dem kürzlich erschienenen "Journalismusreport" sind 47 Prozent der journalistischen Mitarbeiter Frauen. Betrachtet man die Führungsebenen, ändert sich das Bild aber schlagartig. Von den 14 Tageszeitungen Österreichs wird nur der "Kurier" von einer Frau geführt.

Selbst wenn man Stellvertreter einbezieht, kann von Gleichstellung in den Redaktionsleitungen keine Rede sein. Auch Ressorts werden in Österreichs in der Regel von Männern geleitet, wie die Analyse des STANDARD zeigt (siehe Grafik). Zum Vergleich: Rund 80 Prozent der Publizistik- und 69 Prozent der Journalismus-AbsolventInnen sind Frauen.

Ein Missverhältnis, das sich auch am Gehaltszettel bemerkbar macht: Laut "Journalismusreport" beträgt das Durchschnittsgehalt eines Journalisten 4.177 Euro, eine Journalistin verdient hingegen nur 3.447 Euro – ein Unterschied von 17,5 Prozent. Zum Teil ist das darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten. Aber nicht nur. Denn auch weibliche Vollzeitjournalisten verdienen um durchschnittlich 457 Euro (10,6 Prozent) weniger als ihre männlichen Kollegen.

Sonderfall ORF

Für den ORF mit seinen etlichen Hierarchie-Ebenen lässt sich der Frauenanteil schwieriger berechnen. Der Frauenanteil in mittleren und höheren Führungspositionen liegt laut ORF bei 32 Prozent, lässt man die mittleren weg, schrumpft er auf 26 Prozent. In manchen der vielen Führungsebenen gibt es keine einzige Frau – so sind etwa alle neun Landesstudio-Chefredakteure Männer.

Christiana Jankovics, Vorsitzende der ORF-Gleichstellungskommission und Betriebsrätin im Stiftungsrat, ist mit der Firmenpolitik grundsätzlich zufrieden. Ein Gleichstellungsplan sieht mindestens 45 Prozent Frauen in Führungspositionen vor, seit 2010 ist er auch im ORF-Gesetz verankert. Den Plan findet Jankovics vorbildhaft, er lege aber nicht fest, bis wann die Quote erfüllt werden muss. Die Geschäftsführung zeige sich zuletzt jedenfalls wenig motiviert, das Problem anzupacken. Und auch der Stiftungsrat habe sich schon einmal mehr für das Thema interessiert. Vorschläge der Gleichstellungskommission würden oft nicht umgesetzt, weshalb die Gleichbehandlungskommission des Bundes eingeschaltet werde, wo der ORF inzwischen "guter Kunde" sei.

Der Gender-Pay-Gap beim ORF liegt bei 12,1 Prozent. Das zeigt ein interner Bericht, der dem STANDARD vorliegt. Zurückzuführen sei das auf das geringere Alter der Mitarbeiterinnen, Männer seien häufiger in älteren, vorteilhafteren Verträgen. Und nicht zuletzt auch darauf, dass sie seltener in den gut bezahlten Chefpositionen sind.

Etwas übersichtlicher ist die Situation bei der ProSiebenSat1Puls4-Gruppe. Dort sind laut Auskunft des Unternehmens 9 von 21 redaktionellen Leitungsposten (43 Prozent) mit Frauen besetzt.

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Reporterinnen und Redakteurinnen gibt es viele, Chefinnen kaum.
Foto: getty/MarioGuti

Männer stellen Männer ein

Das Frauennetzwerk Medien fordert jedenfalls eine verpflichtende Frauenquote in Führungspositionen. "Es gibt gewachsene patriarchale Strukturen in der Branche, die aufgebrochen werden müssen", sagt Alexandra Wachter, Puls-4-Moderatorin und stellvertretende Obfrau des Frauennetzwerks zum STANDARD.

Sie bezieht sich auf das Ähnlichkeitsprinzip, wonach Führungskräfte bei Nachbesetzungen nach der Ähnlichkeit zur eigenen Person einstellen. Männer würden demnach verstärkt Männer einstellen – ein "Kreislauf der Reproduktion", der gebrochen gehöre. Im Medienbereich sei eine ausgeglichene Belegschaft besonders wichtig. "Das, was wir leben, ist das, was wir publizieren" – und Sprache schaffe wiederum Realität.

Deutscher Verein zählt Frauen

In Deutschland erhebt der Verein Proquote Medien schon seit 2012, wie viele Frauen in Chefsesseln sitzen. Rund 400 Journalistinnen und Journalisten unterzeichneten damals einen offenen Brief an die deutschen Chefredaktionen, die damals nur zu zwei Prozent von Frauen besetzt waren. Inzwischen wird jedes halbe Jahr gezählt – das "Herzstück des Vereins", wie Eva Lindner von Proquote gegenüber dem STANDARD sagt. 2017 hatten schon 5.000 unterschrieben, seit der ersten Zählung hat sich der durchschnittliche gewichtete "Frauenmachtanteil" mehr als verdoppelt, liegt aber immer noch unter 30 Prozent.In den letzten Jahren hat sich die Situation allerdings wieder verschlechtert. Für Lindner ein deutliches Signal, dranzubleiben.

Der Verein fordert wie das Frauennetzwerk in Österreich eine Quote in den Redaktionen und ein frauenfreundlicheres Umfeld in der Branche. Dort gelte oft Präsenzdruck, Meetings würden oft für spätnachmittags, abends angesetzt. "Wer dem Burnout am nähesten ist, gilt oft als der oder die Fleißigste", sagt Lindner. Eine familienfreundliche Redaktion würde etwa erlauben, dass Chefpositionen zwischen zwei Teilzeit-MitarbeiterInnen geteilt werden. (Philip Pramer, 8.3.2020)