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Für Überwachungsunternehmen entwickeln sich US-Schulen immer mehr zu einem ganz eigenen Geschäftsfeld.

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Wer das Gebäude einer Schule in der New Yorker Stadt Lockport aufsucht, muss damit rechnen, dass er von einer Videokamera aufgezeichnet wird – und sein Gesicht automatisiert identifiziert. Trotz Protesten nutzen Schulen dort Gesichtserkennungstechnologie: Wer das Grundstück betritt, wird überwacht – damit können die Schulen auch nachvollziehen, wann sich ihre Schüler wo aufgehalten haben.

Mit dieser Methode steht Lockport nicht allein: Überwachung an Schulen wird in den USA immer mehr zum Thema. So installieren landesweit Schulen Mikrofone, die anhand von Algorithmen erkennen sollen, ob die Sprechenden besonders gestresst oder wütend sind. Auf diese Weise will man rechtzeitig reagieren können, bevor es zu Gewalt kommt.

Überwachung via Google-Konto

Befürworter solcher Technologien an Lehrstätten für Minderjährige sehen darin einen Weg, gegen Amokläufe an Schulen vorzugehen oder pädophile Straftäter zu stoppen. Oder aber um gegen "angehende Terroristen" vorzugehen: So etwa Unternehmen wie die Firmen Gaggle und Securly, die sich die breite Verwendung von Google-Diensten an US-Schulen zunutze machen.

So bietet G-Suite for Education Schulen ein mächtiges Tool, das beispielsweise Textverarbeitung, Präsentationen und Co ermöglicht. Zusätzlich funktioniert das Paket ideal mit günstigen Google Chromebooks. Immerhin 80 Millionen Kunden würden Google zufolge Das G-Suite-Angebot im Bildungsbereich nutzen.

Viele der Schüler nutzen die Google-Accounts, die sie schulisch angelegt bekommen, auch privat: So abonnieren sie auf Youtube ihre liebsten Inhaltsersteller, schreiben Mails oder laden private Daten auf Google Drive. Die Schulen können aber weiterhin sämtliche dieser Informationen einsehen.

Dokumente lesen

Für Überwachungsunternehmen ein ganz eigenes Geschäftsfeld, bieten sie doch US-Schulen an, die Jugendlichen für diese auszuforschen. Beispielsweise werden Google-Dokumente gelesen, um herauszufinden, ob jemand mit Drogen experimentiert, Nacktbilder erstellt oder speichert, oder aber suizidale Gedanken hat.

Die Informationen werden dann in wöchentlichen Berichten oder notfalls anhand eines Anrufs bei der Schulleitung zusammengefasst preisgegeben. Wieviel die Schüler von der Überwachung mitbekommen, ist nicht klar. Andere Unternehmen, etwa Social Sentinel, bieten sogar an, die Social-Media-Profile der Jugendlichen auszuspähen. Andere Firmen empfehlen Eltern, Spyware auf den Geräten ihrer Kinder zu installieren.

Kritik durch Datenschützer

Datenschützer wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisieren in diesem Zusammenhang einerseits den Eingriff in die Privatsphäre der Schüler, andererseits aber auch die Sicherheitslücken, die dadurch geschaffen werden: Schließlich würden die Unternehmen dadurch die Sicherheitsprotokolle, die den Online-Verkehr verschlüsseln, umgehen. Nicht nur die überwachenden Eltern, sondern jeder andere könnte sich das zunutze machen. Überhaupt würden Bildungseinrichtungen wie ein Überwachungsstaat handeln.

Dem nicht genug, sind Überwachungsmethoden doch vergleichsweise nicht günstig – die dafür genutzten Gelder könnten stattdessen in Das sei vor allem insofern zu bedenken, als es noch nicht ausreichend Forschung gibt, um beispielsweise zu eruieren, welchen Effekt eine solche Überwachung auf Kinder hat. Dazu käme die Diskriminierung von Minderheiten und Frauen: So greifen beispielsweise Schulen mit einer höheren Anzahl an Personen, die nicht weiß sind, in den USA eher zu solchen Überwachungsmaßnahmen.

Gesichtserkennung weitgehend umstritten

Gesichtserkennung gilt als besonders umstrittene Technologie: So kam eine Studie der US-Behörde National Institute for Standards and Technology im Dezember des vergangenen Jahres zu einem vernichtenden Fazit: Bis zu 100-mal öfter würden Menschen mit asiatischem und afroamerikanischem Aussehen falsch identifiziert werden als weiße Personen.

Vor allem dunkelhäutige Bürger, speziell afroamerikanische Frauen, würden schlechter erkannt werden. Die Software sei zudem auch bei älteren Personen und Kindern ungenauer. Andere Untersuchungen unterschiedlichster Universitäten waren zuvor zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Die Stadt San Francisco hat aufgrund dessen im Mai 2019 ein Verbot eingeführt. (muz, 11.07.2020)