Wer stellt einen Mann ein, wenn er stattdessen eine schlechter bezahlte Frau beschäftigen könnte? Jedenfalls niemand, der auch nur einmal einen Blick in ein Ökonomiebuch geworfen hat. Aber obwohl es in der Theorie für Unternehmer keinen Sinn ergibt, für die gleiche Arbeitskraft mehr zu zahlen als notwendig, zeigt sich in allen europäischen Ländern dasselbe Muster: Frauen verdienen weniger. Auch wenn sie gleich oder besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen.

Die Bundesregierung will nun bei der beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau nachhelfen. Der Lohnunterschied sei im EU-Vergleich in Österreich besonders groß. Es sei notwendig, Frauen eine bessere berufliche Perspektive zu geben, schreibt das Wirtschaftsministerium in einer Aussendung. Gemeinsam mit Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hat die Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Freitag das neue Gütesiegel "equalitA" vorgestellt. In der Frauenförderung vorbildliche Unternehmen sollen damit ausgezeichnet werden. Bis zum 12. Juni können sich Unternehmen bewerben, Kriterien sind unter anderem Gehaltsentscheidungen, Karenzmanagement und gendergerechte Sprache. Wer es erhält, darf das Gütesiegel drei Jahre lang tragen. Das soll den Arbeitgeber attraktiver machen – auch und vor allem für Frauen.

Wie groß die Lohnschere ist, hängt davon ab, wie genau man hinsieht.
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Wie misst man den Erfolg von Arbeitsmarktpolitik für Frauen? Naheliegend ist der Gender-Pay-Gap, der in Österreich laut Statistik Austria 13,6 Prozent beträgt. Um so viel weniger als Männer verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen. Allerdings trügt der Schein. Eine geringere Kluft heißt nicht immer, dass Frauen besser verdienen. Sie kann auch zeigen, dass Frauen mit geringeren Gehaltsaussichten zu Hause bleiben. Das erklärt, warum gerade Italien mit einer Lohnschere von fünf Prozent und Rumänien mit einem Gender-Pay-Gap von drei Prozent in Europa mit die kleinsten Einkommensunterschiede ausweisen.

Kinder und der Gehaltsunterschied

Zurück nach Österreich: Wie kann die Lohnungleichheit verringert werden, ohne dass Frauen aus dem Arbeitsmarkt fallen? Die Statistik Austria berücksichtigt in ihrer Berechnung Faktoren wie Bundesland, Alter oder Branche. Experten des dänischen National Bureau of Economic Research zufolge sind es vor allem Kinder, die ausschlaggebend für den Gehaltsunterschied sind. Demnach steigt die Gehaltskurve von Frauen, die nie Mütter werden, ähnlich jener von Männern. Väter hingegen scheinen davon kaum betroffen, ihr Gehalt wächst annähernd gleich stark wie das ihrer kinderlosen Kollegen.

Ein entsprechendes Phänomen erkennen auch Autoren des Thinktanks Agenda Austria für Österreich. Der überwiegende Anteil des Gender-Pay-Gaps sei "auf Einkommensverluste zurückzuführen, die sich aus den Karenzzeiten und vor allem aus der überwiegenden Teilzeitarbeit" von Müttern ergeben. Rechnet man jene Faktoren heraus, die mit Elternschaft zusammenhängen, schrumpft der Lohn-Gap demnach auf rund zwei Prozent zusammen. Agenda-Austria-Ökonomin Monika Köppl-Turyna spricht deshalb von einem "Motherhood-Gap" anstelle eines Gender-Pay-Gaps. Wer ein Kind betreut und nicht arbeitet, sei am Arbeitsmarkt der Verlierer.

Je gröber der Blick, desto schärfer sieht man die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt.
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Das Heilmittel: Karenzpolitik. Und zwar für beide Elternteile und nicht zu lange. Wenn Männer und Frauen gleich häufig und gleich lange zu Hause blieben, glichen sich die Gehälter an, so die These. Allerdings wäre das nur ein Etappenerfolg in der Gleichstellung. Denn gleicher Lohn bei gleicher Position in der gleichen Branche heißt zwar, dass sich die Lohnschere schließt. Aber es würde darüber hinwegtäuschen, dass Frauen oft in schlechter bezahlten Branchen arbeiten.

Am Ende zählt auch der einfachste Indikator. Der unbereinigte Gender-Pay-Gap ignoriert, ob Frauen Teilzeit arbeiten oder Vollzeit. Er ignoriert auch alle andere Faktoren. Und er liegt in Österreich bei 36,7 Prozent – wenn man bloß die Bruttoeinkommen der Geschlechter vergleicht. "Diese Zahl ist sowohl mit Blick auf ihre Ursachen als auch wegen ihrer Folgen problematisch", sagt Wirtschaftsphilosoph Felix Pinkert von der Uni Wien. "Güter ungleich, zum Nachteil von Frauen verteilt zu sehen passt nicht zu einer geschlechtergerechten Politik." Letztlich gehe es nicht darum, die Lohnschere zu bereinigen. Sondern sie zu schließen. (Aloysius Widmann, Michael Matzenberger, 7.3.2020)