Die Schau "The Cindy Sherman Effect" im Bank Austria Kunstforum untersucht den Wandel der Geschlechtsidentitäten. Eine lange Reise, wie sich zeigt.

Foto: Cindy Sherman Untitled Film Still #48

Es ist ein Ensemble aus Lavendel und Eukalyptus. Ein hübscher Strauß um 31 Euro, den der Online-Blumenhändler zwischen Montag und Freitag sogar kostenlos liefert. Das Gebinde hat auch einen Namen, "Margarete Stokowski", nach der Spiegel-Kolumnistin, Bestsellerautorin und – vor allem – Feministin. Ihre Bücher verkaufen sich derzeit wie warme Semmeln, in denen sie die "letzten Tage des Patriarchats" ausruft und Diskriminierung kompromisslos und klug analysiert. Doch warum lesen, wenn sich das alles auch mit einem Sträußchen ausdrücken lässt? Übrigens: Es gibt auch einen "Alice Schwarzer"- und einen "Penelope Kemekenidou"-Strauß, nach einer anderen jungen Aktivistin benannt.

Diese Feministinnensträuße sind ein Sinnbild für den aktuellen Feminismus: Er ist präsent, vielfältig, radikal. Und gleichzeitig: ein Feigenblatt, ein Produkt, verkauft. Für 31 Euro, frei Haus. Der Frauentag ist dafür ein gutes Beispiel, die Tage davor treiben schon seit einigen Jahren immer seltsamere Blüten. "Irgendwas mit Frauen", denkt sich schier jede Industrie, die sich nicht nur am Mutter- und Valentinstag etwas verspricht. Zur Erinnerung: Am Internationalen Frauentag wurde und wird für fundamentale Menschenrechte gekämpft. Damals, am ersten Internationalen Frauentag 1911, gingen in Österreich-Ungarn, Dänemark, Deutschland und den USA über eine Million Frauen auf die Straßen, um für das Wahlrecht zu kämpfen. Später für das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch, für Schutz vor Gewalt, für gesetzliche Gleichstellung und für gleiche Chancen. Das "Recht auf Shopping" war nie darunter.

Was ist passiert? Zuerst das Positive: Kommerzialisiert und vereinnahmt wird nur, was ein gutes Image hat. Und einen Imagewandel hat der Feminismus in den vergangenen 20 Jahren definitiv durchlebt. Themen, die von männlich dominierten Redaktionen klassischer Medien als irrelevant abgetan worden und schlicht nicht auf dem Radar waren, schummelten sich nach und nach digital an den Toren der bisherigen Gatekeeper vorbei zu einer breiten Öffentlichkeit durch.

Bewegung an der frischen Luft

In Blogs, aber auch offline entstanden gerade in den Nullerjahren zahlreiche feministische Kampagnen, Kulturprojekte und Initiativen. Am Beginn des neuen Jahrtausends wollte der Feminismus irgendwie wieder an die frische Luft, raus aus dem Businesskostüm, das man in den 1990ern so leidenschaftlich mit Emanzipation gleichsetzte. Gleichstellung? Das ist doch irgendwas mit "Frauenkarrieren" und "Karriereleiter", oder? Lange herrschte dieses verzerrte Bild vor, während man allerdings an den Unis die früher noch als "Frauenstudien" bezeichneten "Gender Studies" vorantrieb. Und sie wühlen die Gemüter bis heute arg auf, wenn sie die schlichte Frage aufwerfen: Ist Geschlecht vor allem eine soziale Tatsache und doch nicht nur Naturgesetz? Und wenn ja: Was fangen Gesellschaften mit der neu gewonnenen Freiheit an, wenn wir nicht mehr in "Männer"- und "Frauenleben" gefangen sind?

Darüber konnte man plötzlich im Netz öffentlicher nachdenken als bisher. Mit Facebook, Twitter und Instagram wurde dann quasi jedem ein Megafon in die Hand gedrückt, auch jenen, deren Lebensumstände und Erfahrungen bisher unterbelichtet waren. Das wurde allerdings oft abschätzig als "Netzfeminismus" bezeichnet, so, als ob man schnell einmal ein paar Zeilen in den sozialen Netzwerken absondert und dann wieder völlig unpolitisch seiner Wege geht. Spätestens seit MeToo ist das passé. Immerhin hat damit der Netzfeminismus vorgemacht, wie sich Millionen Menschen schnell solidarisieren können. Er hat das bisher weitgehend ignorierte Thema der sexualisierten Gewalt den Menschen weltweit vor die Nase gehalten.

Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten: auch bei den sozialen Medien als Steigbügelhalter für den Feminismus. Dieser Schatten umfasst nicht nur Frauenhass, sondern auch Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit, die nun auch sehr laut geworden sind. Immerhin gibt es unter dem Titel "Hass im Netz" schon erste Versuche, sich spät, aber doch damit näher auseinanderzusetzen – wenngleich wirksame Gesetze dagegen noch immer nicht in Sicht sind.

Noch weniger auf dem Radar ist, dass wir durch unsere Kommunikation im Netz einen vergoldeten Datenpool für Konzerne abliefern, die unser Verhalten analysieren, voraussagen und nutzen – auch unsere politische Haltung. Das Private, das Feministinnen dort teilen, ist dann nicht mehr nur politisch, sondern wird zu Kapital. Die Kommerzialisierung von feministischen Inhalten hängt stark damit zusammen, denn natürlich sind auf diesen Plattformen auch Firmen präsent – und kämpfen dort scheinbar Seite an Seite mit Feministinnen.

Heikle Komplizenschaft mit Firmen

Ein Beispiel: In Deutschland ist es nicht etwa einer feministischen Graswurzelbewegung gelungen, die langjährige Forderung nach einer Senkung der Steuer auf Menstruationsprodukte erfolgreich in den Bundestag zu bringen, wo sie dann auch beschlossen wurde. Das stieß ein Unternehmen an, das Kondome und Menstruationsartikel verkauft, in Zusammenarbeit mit einem Magazin. Sie starteten eine hochprofessionelle Kampagne für eine Petition auf sämtlichen Kanälen. Das klingt zunächst gut, ist doch egal, wer das angestoßen hat, oder? Nicht ganz, denn Gleichstellungspolitik sollte vor allem in den Parlamenten passieren. Doch dort findet sie, zumindest in Österreich, kaum statt. Gleichzeitig wird sie von Firmen für Imagekampagnen entdeckt. Diese kampagnisieren aber nur für das, was sich verkaufen lässt. Das könnte künftig für blinde Flecken sorgen und eine breite gesellschaftspolitische Basis schwächen. Ein Strauß aus Lavendel und Eukalyptus und Shopping-Rabatte zum 8. März sollten davon nicht ablenken. (Beate Hausbichler, 7./8.3.2020)