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Juni 2017: Der neue Kronprinz Mohammed bin Salman (links) küsst dem scheidenden, Mohammed bin Nayef, die Hand. Das Bild täuscht.

Foto: Al-Ekhbariya via AP

Offiziell gab es auch zwei Tage nach Auftauchen der Berichte über die Verhaftungswelle im saudischen Königshaus nichts – aber ausgerechnet Ali Shihabi, in den USA ansässiger, streng prosaudischer Publizist, bestätigte sie indirekt: Man müsse bedenken, schrieb er sinngemäß auf Twitter, dass sich "die königliche Familie in einem sehr heiklen Generationswechselprozess" befinde. König Salman habe eine klare Wahl getroffen, dabei gebe es eben Verlierer und Frustrierte. Und es werde nicht zugelassen, dass diese das Land destabilisierten.

Bei den potenziellen Destabilisierern ist immerhin die Rede vom Bruder des 84-jährigen Königs, dem 77-jährigen Ahmed bin Abdulaziz, und Exkronprinz Mohammed bin Nayef, den der jetzige Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) im Juni 2017 aus dem Amt gedrängt hat. Sie sollen am Freitag neben weiteren Prinzen verhaftet worden sein. Genannt wurden ein Sohn Ahmeds, Nayef, der einen hohen Rang im Militärgeheimdienst bekleidete, und ein Halbbruder Mohammed bin Nayefs, Nawaf.

Die Gerüchte liefen sofort an: Entweder König Salman sei tot oder liege im Sterben, oder die Verhafteten hätten einen Putsch geplant – oder beides zusammen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Bestätigungen. Shihabi nennt das alles "Unsinn". König Salman war noch vor wenigen Tagen in der Öffentlichkeit zu sehen, später wurden auch Bilder von Akkreditierungsbesuchen von Botschaftern bei ihm am Sonntag gezeigt.

Der anonyme Twitterer @mujtahidd – der ein Insider zu sein scheint, dessen Informationen jedoch keineswegs immer zuverlässig sind – meldete, dem König gehe es schlecht, Kronprinz Mohammed werde in Kürze dessen Rücktritt verkünden. Von ihm stammt auch die Behauptung, dass nicht nur die vier genannten Prinzen, sondern viele mehr verhaftet worden seien.

Der Salman-Zweig

Immerhin sind sich aber alle einig, worum es geht: um die Konsolidierung der Macht des 34-jährigen Kronprinzen und damit des Salman-Zweigs in der Familie Saud. Zuletzt sind wichtige Posten, unter anderem das Ölministerium – das nie zuvor von einem Royal besetzt war – an Salman-Söhne gegangen. Offensichtlich ist der Widerstand bei anderen mächtigen Prinzen stärker, als es nach außen dringt. Ob sich wirklich eine Gruppe zusammengetan hat, um die Thronbesteigung von MbS – und damit womöglich eine sehr lange Regentschaft – zu verhindern, lässt sich nicht sagen.

Prinz Ahmed bin Abdulaziz war erst im Herbst 2018 ins Königreich zurückgekehrt, im Ausland war er mit kritischen Bemerkungen über den Jemen-Krieg aufgefallen. Ahmed ist ein Vollbruder König Salmans. Ihre Mutter Hassa al-Sudairi war die mächtigste der Frauen von Staatsgründer Abdelaziz. Sie gebar ihm sieben Söhne, "Sudairi-Sieben" genannt. Zwei davon, der erstgeborene Fahd und der zweitjüngste, der jetzige König Salman, bestiegen den Thron; zwei andere, Sultan und Nayef, starben als Kronprinzen. Die drei restlichen, Abdelrahman, Turki (beide verstorben) und der jüngste, der jetzt verhaftete Ahmed, spielten politisch keine große Rollen, Turki galt sogar als Rebell. Aber Ahmed, neben Salman der letzte Überlebende der Sudairi-Brüder, wurde einfach übergangen. Ein Teil der Familie meint wohl, er solle zum Zug kommen – schon damit MbS nicht König wird, dessen Person und Politik umstritten sind.

Seit 2017 isoliert

Mohammed bin Nayef – sein Vater war einer der Sudairis, siehe oben – wurde von Salman nach dem Tod von König Abdullah (kein Sudairi) im Jänner 2015 zum Vizekronprinzen und kurz darauf zum Kronprinzen gemacht. Als er 2017 seinen Platz für MbS räumte, wurde nach außen Harmonie vermittelt – de facto stand er danach unter Hausarrest und verlor seine königlichen Apanagen.

MbN, wie er damals genannt wurde, hatte als Innenminister eng mit den USA im "war on terror" zusammengearbeitet und genoss dort einen guten Ruf. Für seinen Cousin MbS muss es ein ständiges Ärgernis sein, dass er selbst, als großer Käufer von US-Waffen, von Präsident Donald Trump hofiert, aber im US-Kongress scharf kritisiert wird: wegen des Jemen-Kriegs, aber vor allem seit der brutalen Ermordung des in Washington ansässigen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul.

Zuletzt waren auch die beiden demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Bernie Sanders durch negative Bemerkungen über Saudi-Arabien auf-gefallen ("Pariah-Staat", "brutale Diktatur"). Riads Botschafterin in den USA, Reema bint Bandar, auch sie eine Prinzessin, hatte das in einem Interview herunter gespielt: Jeder, der als Präsident ins Weiße Haus komme, sehe die Sache umfassender und ändere seine Meinung. Derweil gibt Saudi-Arabien Milliarden für Imagekampagnen aus – aber angesichts von Episoden wie der aktuellen wird sich die internationale öffentliche Meinung nicht ändern. (Gudrun Harrer, 8.3.2020)