Warum müssen wir am Frauentag über Männer reden? Wo bleiben ihre Stimmen, wenn es um sexualisierte Gewalt geht, und warum reden wir in Hinblick auf Frauenrechte oft über den Islam, aber kaum über den Katholizismus? Mit diesen Fragen befassten sich am heutigen Internationalen Weltfrauentag die Reihe "Europa im Diskurs" im Burgtheater. Das Stichwort MeToo hat feministische Debatten in den letzten Jahren stark geprägt. Das Podium, moderiert von Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD, war sich über die Bedeutung dieser Bewegung weitgehend einig: wichtig, aufschlussreich, entlarvend.

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Die Schriftstellerin Kathrin Röggla wandte allerdings ein, dass diese neuen Übereinkünfte über sexualisierte Übergriffe schnell bröckeln, wenn es das eigene Umfeld betrifft. Hollywood, wo MeToo seinen Ausgang genommen hat, sei weit weg. Schwierig werde es, wenn das Thema in unmittelbare Nähe rückt. Durch MeToo kam es zu einer "Verschiebung der Ächtungskultur", so der Soziologe Kenan Güngör, einer Verschiebung dessen, was die dominante Norm ist, sagt er. Früher war das zum Beispiel sein Nichtraucher-Taxi, das er während seines Studiums gefahren hat, vergleicht Güngör. Viele haben sich damals darüber gewundert, heute ist es Norm – so könnte es sich auch mit übergriffsfreien Räumen entwickeln.

Wichtige Ambivalenzen

Dass die katholische Kirche alles andere als so ein Raum ist, ist offenkundig. Für den Theologen und Religionssoziologen Paul Zulehner ist es zentral, dass Priester "sexuelle reif sind", um Über griffe und sexualisierte Gewalt zu verhindern. Allerdings nicht im Sinne sexueller Erfahrungen, sondern dass man "die Erfahrung von Liebe auf Augenhöhe machen kann". Doch was macht es mit unserer vom Katholizismus, der Frauen immer als zweitrangig angesehen hat, geprägten Kultur, fragt Stuiber. Studien würden zeigen, dass im religiösen Bereich traditionelle Rollenbilder eher überleben, antwortet Zuhlehner. Die Kirche dürfe sich nicht vor der Aufgabe drücken, sich gegen Diskriminierung zu stellen. Geht es um Frauenrechte, stehen allerdings vor allem der Islam und Menschen mit Migrationshintergrund im Fokus. "Man könne niemandem vorwerfen, wo er sozialisiert wurde", sagt Kenan Güngöl. Manche Menschen aus Afghanistan sehen in Österreich zum ersten Mal Frauen ohne Kopftuch auf der Straße, oder sie empfinden es als das "Allerschlimmste", wenn ein Paar zusammenlebt, ohne verheiratet zu sein.

Schriftstellerin Kathrin Röggla, Theologe Paul Michael Zulehner, Petra Stuiber (stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD),Kenan Güngör (Soziologe) und Medienanwältin Maria Windhager (v. li.).
Foto: Christian Fischer

Gleichzeitig machen sie aber die Erfahrung, dass es dann oft genau Menschen wie dieses unverheiratete Paar sind, die ihnen hier sehr weiterhelfen. Wenn solche Ambivalenzen bei Menschen mit einem völlig anderen Geschlechterbild entstehen, dann könne sich etwas weiterentwickeln, ist Güngöl überzeugt. Warum wir über Männer reden müssen, das zeigen die Erfahrungen der Anwältin Maria Windhager deutlich. Sie vertritt unter anderem Sigi Maurer, die vor Gericht stand, weil sie den Absender einer sexualisierten Hassnachricht öffentlich machte.

Männer, sagt endlich was

Soziale Medien haben den Sexismus, den Frauen tagtäglich erleben, sichtbar gemacht, sagt Windhager. So zeigten sich auch juristische Lücken im Schutz vor sexualisierter, verbaler Gewalt. Insgesamt sei die Rechtslage aber keine schlechte in Österreich, es hapere allerdings an der Rechtsdurchsetzung – und die habe wiederum viel mit der gesellschaft lichen Haltung zu tun. Männer haben sich kaum gegen Sexismus zu Wort gemeldet, kritisiert Windhager, immerhin sei inzwischen etwas in Gang gekommen. Gebremst wird allerdings durch neoliberalen Druck, so Röggla. Einen Druck, der eine "starke Trennungsenergie" habe, weil viele letztlich über alte Rollenmuster versuchen würden, Halt zu bekommen. Für diese Analyse gibt es kollektives Kopfnicken, nicht nur auf dem Podium. (Beate Hausbichler, 9.3.2020)