Der Markusplatz in Venedig ist leergefegt, denn der Tourismus in Italien erlebt derzeit einen Einbruch: Die Buchungen sind zum Teil um bis zu 90 Prozent zurückgegangen.

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In Italien ist passiert, was noch vor wenigen Tagen völlig unvorstellbar war in Europa: Praktisch über Nacht wird der Wohnraum von einem Viertel der Bevölkerung – und mit der Lombardei der Motor der italienischen Wirtschaft – zur Sperrzone erklärt. Das Coronavirus Sars-CoV-2 stürzt sich, von Norden her kommend, über das Land wie ein Tsunami; die Fallzahlen steigen exponentiell an. Das ist beklemmend – nicht nur für die betroffenen 16 Millionen Italienerinnen und Italiener, sondern auch für alle anderen Bürger innerhalb und außerhalb Italiens.

Die neuen Notmaßnahmen der Regierung von Giuseppe Conte werfen natürlich Fragen auf – zunächst einmal rein praktische: Wie soll die Abriegelung von Millionen Menschen überhaupt funktionieren? Mit welchen Mitteln und nach welchen Kriterien sollen die Bewegungen der Menschen kontrolliert und eingeschränkt werden? Wie ist unter diesen Umständen die Versorgung sichergestellt? Diese Fragen blieben am Sonntag zum Teil unbeantwortet.

Dazu gesellt sich die noch fast wichtigere Frage: Werden diese Maßnahmen ihren Zweck erfüllen und die weitere Ausbreitung der Epidemie zumindest deutlich verlangsamen? Wird das italienische Gesundheitssystem dem Tsunami standhalten – und wie lange noch? Hätte die Regierung vielleicht noch härtere Einschränkungen verfügen sollen – zum Beispiel die völlige Einstellung des überregionalen Zug- und Busverkehrs sowie des Flugverkehrs?

Frage nach den Nebenwirkungen

Des Weiteren stellt sich die Frage nach den Nebenwirkungen: Die drastischen Maßnahmen verstärken unweigerlich das Gefühl, einer epochalen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Vor allem Wirtschaftsvertreter, besonders im Tourismus, befürchten, dass die Angst vor dem Virus schlimmere Folgen haben könnte als das Virus selbst. Diese Befürchtungen sind durchaus begründet: Überreaktionen der Konsumenten, aber auch der Handelspartner sind schon seit Beginn der Epidemie vor zwei Wochen zu beobachten.

Auf die Fragen der Wirksamkeit wird man erst in den nächsten Wochen eine Antwort erhalten – und alle Nachbarländer, in denen sich das Coronavirus ebenfalls ausbreitet und wo die Epidemie ähnliche Ausmaße anzunehmen droht, können Italien nur die Daumen drücken. Das Agieren der Regierung Conte wirkt etwas improvisiert – aber Nichtstun wäre erst recht keine Alternative. Letztlich sind Italien und Europa auf eine derartige Gesundheitskrise nur bedingt vorbereitet. Auch das ist beklemmend. (Dominik Straub, 8.3.2020)