Bunt und unangepasst – dem Salzburger Jugendzentrum Mark droht nach über fünf Jahrzehnten das Aus.

foto. mark-salzburg

So einig sieht man die beiden Zeitungs-Platzhirsche Salzburger Nachrichten und Kronen Zeitung selten. "Die ÖVP attackiert aus dem Hinterhalt die Kultur", schreiben die SN. Die Krone wiederum meint, die ÖVP habe "die Subventionssense ausgepackt", und spricht von "Finanzstrangulierung" der freien Kulturszene sowie von parteipolitisch motivierten VP-Muskelspielen.

Die drastischen Metaphern der Lokalmedien spiegeln das veränderte kulturpolitische Klima nach dem Wahlsieg der ÖVP bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen vor rund einem Jahr wider. Nur neun Tage nach Angelobung des neuen Gemeinderates im Frühjahr vergangenen Jahres hat Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) das Projekt Rauchmühle im Salzburger Stadtteil Lehen "versenkt". Hier sollten in einem alten Getreidespeicher Proberäume für freie Theater- und Tanzgruppen entstehen, auch der Salzburger Bach-Chor sollte hier eine Heimat finden.

Kulturdachverband gekürzt

Im Budget 2020 wurden dann auf Betreiben der ÖVP die Förderungen für den politisch unbotmäßigen Dachverband Salzburger Kulturstätten von 38.000 auf 27.500 Euro im Jahr zusammengestrichen. Der Dachverband Salzburger Kulturstätten vertritt als Interessenvertretung immerhin 78 Kultureinrichtungen in Stadt und Land Salzburg.

Auch anderen Einrichtungen wie beispielsweise "Super", einer kleinen Initiative, die sich um die kulturelle Vermittlung und Bespielung leerstehender Geschäftsräumlichkeiten kümmert, wurden die Mittel empfindlich gekürzt. Kürzungen beim Jazzfestival "Take The A-Train" standen zur Disposition und konnten vergangene Woche gerade noch abgewendet werden.

Salzburgs ältestes Jugendzentrum bedroht

Am empfindlichsten trifft die "Sense" (Zitat Kronen Zeitung) das Kulturzentrum Mark. Obschon im Budget für 2020 bereits beschlossen, haben ÖVP-Gemeinderatsklubchef Christoph Fuchs und Bürgermeister Preuner die Fördersumme von 60.000 Euro nicht ausbezahlt und den Akt zurück ans Amt verwiesen. Für das 1966 gegründete Mark (damals als Jugendzentrum), dessen Räumlichkeiten erst vor einigen Jahren renoviert und ausgebaut wurden, entsteht so eine existenzbedrohende Situation. Miete, Gehälter, Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden.

"Das ist politische Willkür ohne inhaltliche Begründung", sagt Thomas Randisek, Geschäftsführer beim Dachverband Salzburger Kulturstätten. Es gebe weder eine kulturpolitische noch eine budgetäre Begründung, die finanzielle Lage der Stadt Salzburg sei solide bis sehr gut. Das mit nur zwei Angestellten betriebene Mark weist die ÖVP-Behauptung einer zu geringen Auslastung strikt von sich und verweist auf die stolze Zahl von rund 40 Künstlern und Gruppen, die die Räumlichkeiten regelmäßig nützten.

"Im kurzen Wege"

Hinter den Nadelstichen gegen die freie Kulturszene stünden "VP-Muskelspiele", hat die Krone geschrieben. Für die These rein ideologisch motivierter Politik spricht die auf Betreiben der ÖVP durchgedrückte Herabsetzung der sogenannten IKW-Mittel im Bereich der Kulturförderung. IKW steht für "Im kurzen Wege"; es geht also um jene Summen, die der Kulturressortchef vergeben darf, ohne den Kulturausschuss des Gemeinderates zu befassen.

Bisher waren in Salzburg laut Gemeinderatsgeschäftsordnung Projektförderungen bis zu 10.000 Euro möglich, jetzt muss Kulturressortchef und Vizebürgermeister Bernhard Auiniger (SPÖ) ab 7.500 Euro den mit schwarz-blauer Mehrheit versehenen Gemeinderat befassen. Die Absenkung der Wertgrenze betrifft laut Aussagen von Ressortchef Auinger jährlich circa 80 Einzelprojekte.

"Die Möglichkeiten, in Zukunft für ÖVP-Mann Fuchs unliebsame und unbequeme Kulturprojekte zu verhindern, werden dadurch maßgeblich erweitert", erklärt Markus Grüner-Musil, Kultursprecher der Bürgerliste/die Grünen. Grüner-Musil kennt die Vorgehensweise der ÖVP aus eigener Erfahrung gut, er war selbst lange künstlerischer Leiter der Arge Kultur in Salzburg.

Die bleierne Ära

Noch einmal die Kronen Zeitung: Das Kleinformat warnt ausdrücklich vor einem "Kulturkampf 4.0". Gemeint sind damit die in der Salzburger Szene als "bleierne Ära" bekannten 1990er-Jahre, in denen sich der damals ebenfalls von der ÖVP gestellte Bürgermeister Josef Dechant und die prosperierende zeitgenössische Kulturszene harte Matches lieferten.

Die Geschichte kannte übrigens nur Verlierer: Dechant büßte nicht zuletzt aufgrund der permanenten Konflikte mit den Kulturschaffenden rasch an Popularität ein und wurde schließlich vom damaligen ÖVP-Parteichef und Landeshauptmann Franz Schausberger als Spitzenkandidat für die Wahlen 1999 abserviert. Die Kultureinrichtungen konnten sich zwar behaupten, aber aufgrund des kulturpolitisch schlechten Klimas und zu geringer finanzieller Unterstützung hatten die Stadt Graz und das Land Steiermark beispielsweise die renommierte Diagonale – Festival des österreichischen Films 1998 abgeworben. (Thomas Neuhold, 10.3.2020)