Ein Mann mit Gesichtsmaske und Schutzhandschuhen in Teheran.

Foto: EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Im Iran lag der offizielle Stand der Coronavirus-Erkrankten und -Toten Montagmittag bei 7161 beziehungsweise 237: Aber selbst diese hohen Zahlen werden sowohl von der eigenen Bevölkerung als auch von manchen Experten außerhalb als zu niedrig angezweifelt. Andererseits müssen auch die Nachrichten von Iran-Gegnern, die die Islamische Republik als kurz vor dem Kollaps stehend darstellen, mit Vorsicht genossen werden. Aber dass der Iran zu den vom neuen Virus am stärksten betroffenen Ländern gehört, ist eine Tatsache.

Mehr als 7.000 Menschen im Iran sind mit dem Coronavirus infiziert, rund 240 Personen sind daran gestorben. Die Dunkelziffer im Land dürfte deutlich höher ausfallen.
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Der iranische Ausbruch begann offiziell am 19. Februar in der Hochburg der schiitischen Gelehrsamkeit, der Stadt Ghom. Die dort als krank gemeldeten zwei Personen starben noch am gleichen Tag: Damit war klar, dass man hier nur die Spitze des Eisbergs gesichtet hatte. Als am 24. Februar Vizegesundheitsminister Iraj Harirchi bei einer Pressekonferenz schwitzte und hustete und danach seine Erkrankung bekanntgegeben wurde, dachten manche noch an einen PR-Gag der Regierung. Mittlerweile wütet das Virus aber auch in der Politikerkaste: Es gibt mehrere Tote, darunter Berater des religiösen Führers und des Außenministers sowie eine Parlamentarierin. Eine ganze Gruppe von Abgeordneten wurde als infiziert gemeldet.

Kampf gegen Virus

Verschwörungstheorien konnten nicht ausbleiben. Da sich das Virus vor allem gegen China und Iran richte, könnte es sich dabei um eine biologische Waffe der USA handeln, sagte Hossein Salami, der Kommandeur der Revolutionsgarden (IRGC). Man werde es jedoch bekämpfen, "auch wenn es nicht das Werk Amerikas ist". Der religiöse Führer Ali Khamenei trat in Latex-Handschuhen auf und schwor die Iraner und Iranerinnen auf Vorsicht ein: "Gott verpflichtet uns, Verantwortung für unsere eigene Gesundheit und die anderer zu übernehmen." Die für 21. März geplante Neujahrsrede Khameneis wurde vorsorglich abgesagt.

Zur Strategie des Gesundheitsministeriums gehört die Schließung von Schulen und Universitäten und flächendeckende Desinfektionen im öffentlichen Raum. Dabei werden auch Personen auf der Straße, manchmal aus Fahrzeugen, mit einer Desinfektionsflüssigkeit abgespritzt.

Verdorbenes Newroz-Fest

Alle Großveranstaltungen wurden abgesagt. Eine Herausforderung wird das Newroz-Fest, das am 21. März beginnt: normalerweise eine Gelegenheit zum öffentlich Feiern und zum Reisen. Ins Ausland zu gelangen ist jedoch ohnehin schwierig: Eine Fluglinie nach der anderen stellt ihren Iran-Service ein. Die Islamische Republik ist auch zum Coronavirus-Exporteur geworden. Etliche Fälle in anderen Ländern lassen sich in den Iran zurückverfolgen.

Auch die Absperrung der saudi-arabischen Provinz Qatif hat damit zu tun: Die ersten Fälle in Saudi-Arabien sind in dem schiitischen Bevölkerungsgebiet ausgebrochen. Das ist nebenbei eine hochpolitische Sache: Riad hegt der Schiitenprovinz gegenüber tiefes Misstrauen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, heimliche Reisen in den Iran zu melden.

Die iranischen Behörden bekämpfen indes nicht nur das Virus, sondern auch das Horten von – ohnehin schon raren – Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln, aber auch das Verbreiten von angeblich falschen Nachrichten über die Katastrophe über die sozialen Medien.

Entlassung von Häftlingen

Dazu gehört die Behauptung, dass die Testkits ausgehen. Den Behörden wird vorgeworfen, die Lage anfangs nicht ernst genug genommen zu haben. Das hat sich wohl geändert. Erneut wurde am Montag die Entlassung von 70.000 Häftlingen verkündet. Von Krankheitsausbrüchen in Gefängnissen, auch im Evin-Gefängnis in Teheran, wird gemunkelt.

Die USA haben dem Iran zu Monatsbeginn Hilfe angeboten: Präsident Hassan Rohani beantwortete das mit der Aufforderung, lieber die Sanktionen fallenzulassen. Medizinische Artikel fallen zwar nicht unter Sanktionen – wohl aber generell der Bankverkehr mit dem Iran, weshalb niemand Geschäfte mit Teheran machen will. Als weitere Katastrophe könnte sich die neue saudische Ölpreispolitik erweisen, wenn dadurch die iranischen Einkünfte einmal mehr zusammenbrechen. (Gudrun Harrer, 9.3.2020)