Die Aussprache von SchülerInnen wurde in der Fremdsprachenforschung bisher kaum untersucht, das soll sich mit dem Projekt "Pro2F-Pronounciation in Progress" ändern. Im Bild ist die Lautschrift für "prononciation", französisch für "Aussprache" zu sehen.

Foto: Sarah Nägele

"Wofür lernt man denn Sprachen?" fragt Elissa Pustka ernst, um ihre Frage gleich selbst zu beantworten: "Man möchte hingehen und mit den Leuten reden! Mündlichkeit ist eigentlich das Wichtigste." An diesem praktischen Gedanken setzt die aktuelle Forschung der Romanistin an. Mit "Pro2F-Pronounciation in Progress" leitet Pustka an der Uni Wien das weltweit erste Forschungsprojekt zur Aussprache von SchülerInnen im Französischen, denn "diese stellen die größte und wichtigste Zielgruppe für die Grundlagenforschung dar."

"Schwa" und "Liaison": Die Phänomene der Aussprache

Schauplatz der Untersuchung ist eine Wiener Schule, an der SchülerInnen als sogenannte "Langfranzosen" sechs Jahre lang die Sprache lernen. 145 von ihnen werden von einer Muttersprachlerin interviewt und lesen Texte und Wörter vor. Die Mitglieder des Projektteams – Studienassistentinnen und Doktorandinnen – dokumentieren das per Audio-Aufnahme. Doktorandin Elisabeth Heiszenberger und Postdoc-Mitarbeiterin Léa Courdès-Murphy analysieren im Anschluss die Daten.

"Natürlich wäre es spannend, verschiedene Schulen und soziale Schichten zu kontrastieren", sagt Pustka, "aber im aktuellen Projekt konzentrieren wir uns darauf, die Entwicklung zu analysieren, die sich unter vergleichbaren Rahmenbedingungen mit demselben Lehrwerk, in derselben Schule, ergibt." Kern der Auswertung sind die Fortschritte bei zwei besonders häufigen Aussprache-Hürden für Französisch-Lernende: der "Schwa-Laut" und die "Liaison".

Warum gerade diese Phänomene so spannend sind, hat zwei Gründe. Zum einen wird in der französischen Phonologie dazu sehr viel geforscht, was die Ergebnisse gut vergleichbar macht. Zum anderen: "Das sind Phänomene, bei denen die Ergebnisse unserer Studie schnell und einfach zur Verbesserung des Unterrichts beitragen können."

Ein Ö wie in Österreich

Erste Auswertungen gibt es bereits zur Leseaussprache der SchülerInnen. Hier zeigt sich: Bei der Liaison machen die Lernenden rasch Fortschritte, beim Schwa-Laut stagniert die Aussprache. Dafür hat Elissa Pustka eine einfache Erklärung: "Die Lehrenden kennen die Liaison und unterrichten sie auch." Der Schwa-Laut wird im Vergleich dazu kaum besprochen und auch in Schulbüchern nicht thematisiert. "Niemand sagt also den Kindern, wie man es korrekt ausspricht", beklagt sich die Sprachforscherin, "würden sie wissen, dass der Schwa-Laut wie das Ö in Österreich ausgesprochen wird, wäre das kein Problem."

Daneben gibt es aber auch individuelle Faktoren, wie Dialekte, die im Projekt mit einbezogen werden. "Deshalb analysieren wir die Aussprache jedes einzelnen Kindes", erklärt Pustka. Denn aus anderen Voraussetzungen ergeben sich andere Probleme.

Werkzeug für LehrerInnen

Ziel des Projekts ist es, die Grundlagenforschung zu liefern, die nötig ist, um eine neue Aussprachedidaktik zu entwickeln. Ganz praktisch will Pustka LehrerInnen Werkzeuge für den Aussprache-Unterricht in die Hand geben. Mündlichkeit ist für Lehrende schwerer abzuprüfen als einen Aufsatz zu korrigieren. Neue Möglichkeiten eröffnen sich durch die neuen Medien: "Die SchülerInnen können sich beispielsweise mit ihren Smartphones selbst aufnehmen. Das können sich die LehrerInnen nicht nur mehrmals in Ruhe anhören, sondern mit Computerprogrammen auch anschauen", veranschaulicht Pustka.

Ein weiteres Werkzeug gibt es schon seit über 100 Jahren und ist nur in Vergessenheit geraten: Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der französische Linguist Paul Passy das "Internationale Phonetische Alphabet". Zusammen mit WissenschafterInnen aus ganz Europa überlegte er sich ein Zeichensystem, das die Phoneme aller Sprachen möglichst akkurat wiedergeben kann: die Lautschrift. Den SchülerInnen dient sie bis heute als visuelle Gedankenstütze: "Etwas geschrieben zu sehen ist viel anschaulicher, und das ist wichtig, um die genaue Aussprache zu verstehen und sich nachher auch daran zu erinnern", erklärt die Projektleiterin. "Paul Passy entwickelte die Lautschrift auf Bitte von LehrerInnen hin. Es wäre schade, wenn man ein so bewährtes Mittel nicht nutzt."