Die deutsche Fotografin Alea Horst befindet sich seit Tagen im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos. Sie empfiehlt, nicht nur Mütter und Kinder, sondern auch die Männer aus dem Lager zu holen: "Wer hier nicht durchknallt, bei dem stimmt was nicht."

Foto: Alea Horst

Die Bilder der humanitären Katastrophe in Griechenland veranlassen immer mehr Länder Europas zu Solidaritätsbekundungen. Mehr ist es noch nicht. Aber es bewegt sich etwas. Nach Frankreich, Portugal, Finnland und Luxemburg sagte Montagfrüh auch die deutsche Bundesregierung ihre Hilfe zu, einige Hundert besonders schutzbedürftige Kinder und Jugendliche aufnehmen zu wollen.

Laut Informationen des Uno-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) und des griechischen Zentrums für Soziale Solidarität (EKKA) befinden sich derzeit 5500 unbegleitete Minderjährige in den überfüllten Lagern in ganz Griechenland oder sind obdachlos, 2000 sitzen unter widrigsten Bedingungen auf den griechischen Inseln fest.

Durch die Aktionen innerhalb Europas erhöht sich auch der Druck auf Österreich, hier nachzuziehen. Kanzler Sebastian Kurz bleibt hart. Zum Leid der Grünen weigert er sich weiterhin vehement dagegen, aktiv Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Mantraartig spricht er über die Leistungen Österreichs während der Fluchtkrise 2015 und verweist darauf, dass hierzulande nach wie vor Flüchtlinge aufgenommen werden. Das hat aber nichts mit der aktuellen Situation in Griechenland zu tun.

Kurz sagte am Sonntag in der ORF-Pressestunde auch, dass es "rechtlich unmöglich" sei, nur Frauen und Kinder aufzunehmen. Mit ihnen würde Österreich auch Männer und Väter ins Land holen. Hier verallgemeinert der Kanzler aber zu stark.

Um wen es wirklich geht

Laut dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak geht es in der Diskussion vor allem um alleinstehende Frauen mit Kindern oder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. "Diese Gruppen sollten immer absolute Priorität haben, weil ihnen jeglicher Schutz fehlt", sagt Nowak. Der Experte sieht hier auch kein rechtliches Problem. Österreich kann Griechenland jederzeit humanitär unter die Arme greifen.

Wenn es um Familien geht, wird es kniffliger. Nowak findet es "nicht toll", wenn Mutter und Kind von ihrem Vater getrennt werden. Gegen den Willen der Familie ist das aber ohnehin nicht möglich. Sollte sich die Familie im Rahmen einer "ersten Hilfe" dennoch trennen, gibt es aus Sicht des Vaters später das Recht auf Familienzusammenführung. "Da hat Kurz schon recht", sagt Nowak. Wenn alle Familienmitglieder bereits in Griechenland sind, kann der Vater beispielsweise schon um Familienzusammenführung ansuchen, sobald das Asylverfahren von Frau und Kind in Österreich begonnen wurde.

Wenn die Familie beispielsweise noch in Syrien ist, gilt dieses Recht nur nach einem positiven Asylverfahren. Während eines laufenden Verfahrens lässt sich dahingehend dann kein Antrag stellen; geht dieses negativ aus, dann ohnehin nicht.

Es ist auch eine Frage des Asylstatus

Abgesehen davon ist es dann eine Frage des Aufenthaltsstatus, wie schnell sich der Anspruch auf Familienzusammenführung herstellen lässt. Bei einem Asylstatus kann innerhalb der ersten drei Monate ein Antrag auf Familienzusammenführung gestellt werden. Bei subsidiärem Schutz beträgt die Wartezeit drei Jahre. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist ein Antrag laut UNHCR nur bis zum 18. Lebensjahr möglich. Auch der Familienbegriff ist eng gefasst. Dieser beschränkt sich auf die "Kernfamilie, also auf Eltern, Ehepartner und minderjährige Kinder.

Auch die Asylaussichten sind differenziert zu betrachten. Laut den aktuellsten Daten des UNHCR kommt fast die Hälfte der 42.000 Geflüchteten auf den griechischen Inseln aus Afghanistan. Diese Nationalität hat im Gegensatz zu Personen aus Syrien, die ein Fünftel der Menschen auf den griechischen Inseln ausmachen, eine geringere Chance auf Asyl in Österreich. 30 Prozent der Asylanträge aus Afghanistan wurden laut der Jänner-Statistik des Innenministeriums negativ beschieden, bei jenen aus Syrien waren es nur sechs Prozent.

Die Daten zeigen, dass die Dauer des Aufenthalts zwischen den Menschen, die bei einer humanitären Aktion in Griechenland den Weg nach Österreich finden würden, durchaus unterschiedlich sein kann. Darüber will Nowak derzeit nicht spekulieren. Jetzt gehe es einmal darum, diese Menschen aus dieser "unwürdigen" Situation in Griechenland zu befreien. (Jan Michael Marchart, 10.3.2020)