Ein enger Mitarbeiter von Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte unter falschem Namen Festplatten aus dem Kanzleramt schreddern lassen.

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Wien – Einer der Polizisten, der im Vorjahr in der sogenannten (inzwischen eingestellten) Schredder-Affäre ermittelte, war ÖVP-Kandidat bei einer Gemeinderatswahl in Niederösterreich und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) deshalb suspekt. Das geht aus Akten hervor, in die die APA Einblick nehmen konnte. Der Mann habe "problematische Handlungen" gesetzt, so der Vorwurf.

Der "ZIB 2" liegen Protokolle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vor, die aufzeigen, dass für die Schredder-Affäre ein Ermittler mit ÖVP-Verbindungen zuständig war.
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Konkret soll er nach dem Bekanntwerden des Schredderns von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt das Handy des Beschuldigten zurückgegeben und auch dessen Laptop in der ÖVP-Zentrale nicht sichergestellt haben. Dem Verdacht, dass dort ein möglicher Auftraggeber dokumentiert sein könnte, sei damit nicht nachgegangen worden.

"Hinweis auf Befangenheit"

Die WKStA ortete einen "konkreten Hinweis auf Befangenheit". Bei Justizminister Clemens Jabloner, damals auch Vizekanzler der Übergangsregierung, drangen sie damit nicht durch. Er sah durch die Parteimitgliedschaft allein noch keinen Anschein der Befangenheit begründet.

Das Verfahren war im Februar eingestellt worden. Gegenstand der Untersuchungen war das Schreddern von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt durch einen engen Mitarbeiter von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – kurz bevor diesem im Nationalrat das Misstrauen ausgesprochen wurde und er deswegen das Bundeskanzleramt verlassen musste. Untersucht wurde auch, ob der Vorgang in Zusammenhang mit dem kurz vorher veröffentlichten Ibiza-Video stehen könnte.

Polizist schon von Ibiza-Ermittlungen abgezogen

Wie die "ZIB" recherchierte, war der betroffene Polizist zuvor schon von den Ibiza-Ermittlungen abgezogen worden, weil er vor den Untersuchungen eine SMS an Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geschickt hatte. Das Bundeskanzleramt hat gegenüber der "ZIB" jegliche Einmischung in die Ermittlungen bestritten. Dass der Polizist 2015 für die ÖVP bei der Gemeinderatswahl kandidiert hat, sei nicht bekannt gewesen. (APA, red, 9.3.2020)