Palaeoloxodon nahm den Weg, den vor ihm schon viele andere Rüsseltiere beschritten hatten.
Illustration: Hsu Shu-yu

Im späten Oligozän, vor etwa 25 Millionen Jahren, kollidierte das nordostwärtstreibende Afrika mit Eurasien. Zuvor war es seit dem Dinosaurierzeitalter isoliert gewesen und hatte in dieser Zeit eine ganz eigene Säugetierfauna hervorgebracht. Diese wurde zum Teil durch überlegene Konkurrenz aus Eurasien verdrängt, die über die neue Landverbindung einwanderte. Manche Tiergruppen schafften aber auch den umgekehrten Weg und besiedelten von Afrika aus die Welt.

Rüsseltiere auf der Erfolgsstraße

Allen voran marschierten die Rüsseltiere, die einen überaus erfolgreichen Merkmalsmix hervorgebracht hatten: Zum einen setzten sie auf überlegene Größe, zum anderen hatten sie mit dem namensgebenden Rüssel ein einzigartiges Multifunktionswerkzeug zur Verfügung. Und zumindest bei ihren jüngsten Vertretern, den heutigen Elefanten, kommen auch noch ein hohes Maß an Intelligenz und damit verbunden soziale Fähigkeiten hinzu. (Ob das auch bei früheren Rüsseltiergattungen der Fall war, kann freilich nur spekuliert werden.)

Auf diese Weise setzte sich nach der Verbindung Afrikas mit Eurasien (und damit indirekt auch mit Nordamerika) eine Emigrationswelle an Rüsseltieren nach der anderen in Bewegung: Mastodons, Deinotherien, Mammuts und andere. Die letzte Welle fand vor etwa 800.000 Jahren statt, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal "Quarternary Science Reviews". Diese Welle betraf die Gattung Palaeoloxodon, die eng mit den beiden heutigen afrikanischen Elefantenarten verwandt war. Die Auswanderer besiedelten nicht nur Europa, sondern auch weite Teile Asiens.

"Elefant mit Perücke"

Die charakteristischen Merkmale von Palaeoloxodon waren lange, gerade Stoßzähne und ein auffälliger Kamm, der sich wie ein knöchernes Stirnband um den Schädel zog. Als Hugh Falconer, ein schottischer Paläontologe des 19. Jahrhunderts, die sich daraus ergebende Schädelform studierte, nannte er sie "so grotesk konstruiert, dass sie wie die Karikatur eines Elefantenschädels mit einer Perücke aussieht".

Die prägnante Schädelform unterscheidet Palaeoloxodon von seinen heutigen Verwandten.
Illustration: Hsu Shu-yu

Ansonsten gab es jede Menge Variation, vor allem was die Körpergröße anbelangt: Auf einigen Mittelmeerinseln entwickelten sich Zwergformen in Eselgröße, während in Indien mit Palaeoloxodon namadicus ein Anwärter auf den Titel größtes Landsäugetier aller Zeiten lebte. Mit einer Schulterhöhe von fünf Metern spielte es in derselben Liga wie das berühmte Riesennashorn Paraceratherium.

Die Bandbreite an Variationen hat für einige Verwirrung gesorgt, wie viele verschiedene Palaeoloxodon-Arten es gab und ob manche davon nicht eher dem Asiatischen Elefanten oder den Mammuts zuzurechnen seien. Das Team um den spanischen Paläontologen Asier Larramendi hat durch die Analyse von Palaeoloxodon-Schädeln aus verschiedenen Regionen versucht, dies zu entwirren.

Speziesübergreifender Vergleich

Dafür verglichen die Forscher den Ausprägungsgrad des "Stirnbands" mit der Bezahnung. Denn wie bei heutigen Elefanten brachen die insgesamt 24 Backenzähne der Tiere der Reihe nach durch, ein Prozess, der sich über mehrere Jahrzehnte hinzog. Man kann also das Alter eines Tiers sehr gut bestimmen, wenn man sich ansieht, welches Set von Zähnen zum Zeitpunkt seines Todes im Einsatz war.

Der Vergleich zeigte ein Muster: Je älter ein Tier war, desto ausgeprägter war auch sein Kamm. Laut den Forschern diente er als Ansatzpunkt für verstärkte Nackenmuskulatur – immerhin mussten die Tiere einen gewaltigen Schädel tragen. Bei den größten Vertretern der Gattung maß dieser vom Schädeldach bis zu den Zahnfächern der Stoßzähne fast eineinhalb Meter. Ohne entsprechende Muskulatur wären die grauen Riesen laut Larramendi "auf den Kopf gefallen".

Die Stärke des Kamms variierte aber auch von Region zu Region. Die Folgerung: Es handelte sich tatsächlich um verschiedene Arten. Bei den ältesten, noch in Afrika lebenden, sowie einigen asiatischen Arten war der Kamm noch relativ schwach ausgeprägt, bei den Riesen in Indien und Festlandeuropa hingegen stärker. Sie waren offenbar die "moderneren" Vertreter dieser Gattung.

Drei von vielen

Geblieben ist von dieser eigentlich sehr erfolgreichen Tiergruppe nichts – Palaeoloxodon gehört zu dem Teil der Megafauna, der im Zeitalter des Menschen verschwunden ist. Der Europäische Waldelefant (Palaeoloxodon antiquus) lebte bis vor 33.000 Jahren neben Homo heidelbergensis und Neandertaler und dürfte auch die Ankunft des Homo sapiens in Europa noch miterlebt haben. Allerdings hatte ihm vor allem das Klima zugesetzt: Anders als das Wollhaarmammut gedieh er vor allem in den Warmzeiten des Eiszeitalters, während ihn die Kaltzeiten bis an die Südränder des Kontinents zurückdrängten. Die letzten Vertreter der Gattung dürften Zwergformen auf den Mittelmeerinseln gewesen sein, die vermutlich bis in die Jungsteinzeit überlebt haben.

Zu diesem Zeitpunkt war von der einstigen Vielfalt der Rüsseltiere kaum noch etwas geblieben. Nach dem Ende der letzten Kaltzeit verschwanden weltweit binnen kurzer Zeit fast alle Arten von Mammuts, Mastodons, Stegodonten und anderen Entwicklungslinien an Rüsseltieren. Und nachdem es vor 6.000 bis 4.000 Jahren auch noch die letzten isolierten Populationen von Wollhaarmammuts auf Saint Paul Island und der Wrangel-Insel erwischt hatte, blieben nur noch die drei Elefantenarten übrig, die es heute noch gibt. (jdo, 13. 3. 2020)