Valerien Ismael: "Nicht Worte, sondern Taten zählen."

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Der LASK hat am Donnerstag den Höhepunkt der Klubgeschichte vor sich. Im Hinspiel des Achtelfinales der Europa League kommt Manchester United auf Besuch (18.55 Uhr, live Puls 4). Aufgrund der rigorosen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus muss im leeren Linzer Stadion gekickt werden. Das Gespräch mit Trainer Valerien Ismael hat noch vor dieser Entscheidung stattgefunden. Das Rückspiel steigt dann am 19. März im legendären Old Trafford.

STANDARD: Ergänzen Sie bitte: Fußball ist für mich ...?

Ismael: Leidenschaft.

STANDARD: Wird der Fußball manchmal zu wichtig genommen?

Ismael: Ja, Fußball wird oft politisch vereinnahmt, in Geiselhaft genommen. Die Kommerzialisierung schreitet voran, sie gehört dazu, der muss man sich stellen. Auch bergen manche Situationen die Gefahr des Verlusts von Respekt und Würde in sich.

STANDARD: In letzter Zeit kommt vermehrt das hässliche Gesicht zum Vorschein. Speziell in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich oder England gibt es in Stadien rassistische Vorfälle, Affenlaute, schwarze Spieler treten ab. Was kann man dagegen tun, ist der Fußball überfordert?

Ismael: Das hat mit Intelligenz zu tun. Die Basis ist die Erziehung, da liegt das Problem. Es ist schrecklich, wenn man im Jahr 2020 mit diesen Themen konfrontiert ist. Da muss man seitens der Politik und der Gesellschaft hart durchgreifen. Nicht Worte, Taten zählen. Wir vom Fußball können uns nur deutlich distanzieren.

STANDARD: Sprechen wir über etwas Erfreuliches, das Phänomen LASK. Warum läuft es so gut?

Ismael: Es gibt viele Punkte, die zum Erfolg führen. Die Führung des Vereins mit Präsident Siegmund Gruber und Vizepräsident Jürgen Werner ist hervorragend. Vor fünf Jahren saßen wir schon beisammen, sie haben mir das Projekt LASK erklärt, ich war begeistert. Aber ich habe mich für Wolfsburg entschieden. Ich habe den LASK verfolgt. Sie setzen immer den nächsten Schritt. Entscheidend war Oliver Glasner als Trainer, der die Ruhe bekam, eine Philosophie, die zur Mannschaft und zum Verein passt, zu entwickeln.

STANDARD: Die Mannschaft ist sehr gut zusammengestellt, sie ist miteinander gewachsen, oder?

Ismael: Ja, genau. Neue werden sofort integriert. Man hat das Gefühl, dass sie schon sehr lange da sind.

STANDARD: Ihr Engagement war ja atypisch für die Branche. Normalerweise werden Trainer geholt, wenn Feuer am Dach ist. Glasner wurde wegen der Erfolge von Wolfsburg wegengagiert, Sie fanden ein intaktes Gebilde vor. Das mag einerseits angenehm sein, andererseits erhöht es den Druck.

Ismael: Ich habe das überhaupt nicht als Druck empfunden, ich kenne ja die andere Seite der Medaille. Ich hatte Mannschaften übernommen, wo es einen radikalen Umbruch gab, 21 Spieler weg waren, 20 gekommen sind. Auf einmal stehst du vor einem weißen Blatt Papier und musst zaubern. Jetzt war klar, du kommst zu einem stabilen Klub, mit Identität, Philosophie. Es war der ideale Start für mich.

STANDARD: Nun sind Sie der Trainer mit dem besten Schnitt in der österreichischen Geschichte. Macht Sie das stolz?

Ismael: Es freut mich. Es war die richtige Entscheidung zusammenzuarbeiten, von beiden Seiten. Dass es so gut läuft, war nicht abzusehen. Ich wusste aber, dass wir in der Lage sind, eine sehr gute Saison zu spielen.

STANDARD: Haben Sie eine Lebens- und Trainerphilosophie?

Ismael: Ich bin Franzose. "Vivre et laisser vivre", leben und leben lassen, das ist meine Überzeugung. Als Trainer will ich offensiven Fußball in Kombination mit Ballbesitz. Man muss selbst flexibel sein, Lösungen und Antworten finden. Die Gegner überlegen sich ja auch etwas.

STANDARD: Als Spieler feierten Sie unter Thomas Schaaf und Felix Magath die größten Erfolge. Magath gilt als extrem autoritär. Konnten Sie von ihm etwas lernen?

Ismael: Er hatte keine Angst davor, Entscheidungen zu treffen. Das war sicher eine Stärke von ihm.

STANDARD: Sie waren in Ihrer Karriere schwer verletzt, brachen sich Schien- und Wadenbein. Was lernt man aus solchen Rückschlägen?

Ismael: Es geht nicht um Verletzungen, ich habe eine gewisse Gelassenheit in mir. Das Leben besteht aus Hochs und Tiefs. Es ist wichtig, nach vorn zu schauen, immer wieder aufzustehen. Das sollten wir den Kindern mitgeben.

STANDARD: Als Trainer hatten Sie bisher eher kurze Engagements. Stillt der LASK die Sehnsucht nach Langfristigkeit?

Ismael: Ja. Mir war Stabilität wichtig. Wenn in einem Verein gestritten wird, und das passiert häufig, ist in der Regel der Trainer das schwächste Glied.

STANDARD: Wie definieren Sie Erfolg?

Ismael: Erfolg ist die Beständigkeit, täglich an seinen Zielen zu arbeiten.

STANDARD: Wie gehen Sie mit Misserfolg um? Welche Lehren haben Sie zum Beispiel aus dem 0:1 im Cup-Halbfinale gegen Salzburg gezogen?

Ismael: Es gibt einen Spruch von Nelson Mandela, den ich immer wieder verwende. Er sagte: Ich verliere nie, entweder ich gewinne, oder ich lerne. Und das stimmt.

STANDARD: Banale Reporterfrage: Kann der LASK Meister werden?

Ismael: Ich antworte mit einer banalen Phrase: Im Fußball ist alles möglich. Stimmt die Leistung, wirst du mehr Spiele gewinnen als verlieren.

STANDARD: Kann der LASK Manchester United schlagen oder zumindest ärgern?

Ismael: Unsere Bilanz in Europa ist überragend, wir sind auf einem anderen Level angekommen. Gelingt es uns, alles abzurufen und eine Topleistung zu bringen, dann können wir Manchester ordentliche Probleme bereiten.

STANDARD: Ist es der Klassiker David gegen Goliath?

Ismael: Definitiv. 30 Millionen Euro Kaderwert gegen 800 Millionen. Man weiß, wer der Favorit ist. Ich war übrigens noch nie im Old Trafford.

STANDARD: Bereiten Sie die Mannschaft speziell vor?

Ismael: Nein, wir haben Abläufe und Strukturen, die passen. Egal, ob im Cup gegen Vöcklamarkt oder in der Europa League gegen Manchester United.

STANDARD: Nach dem 4:1 gegen Eindhoven haben Sie gesagt: "Mir haut’s den Beidl auf die Seit’n." Der Spruch ist bereits Kult. Ist eine Steigerung möglich?

Ismael: Der Berg ist extrem hoch. Mein Co-Trainer hat mir ein paar österreichische Sprüche beigebracht. Den fand ich lustig, den habe ich mir gemerkt. Ich habe noch ein paar auf Lager, aber die bekommt man nicht exklusiv.

STANDARD: Trainer sind Stars, werden medial gehypt.

Ismael: Für mich ist immer die Mannschaft der Star.

STANDARD: Die Gesellschaft ist im Wandel, Social Media gibt das Tempo vor, Hass wird verbreitet und nicht gelöscht, Fußballer lassen den Friseur einfliegen. Was tun?

Ismael: Die Aggressivität, mit der Transferpläne verfolgt werden, wächst. Dabei spielt es leider oft auch keine Rolle, ob der Spieler erst 15 oder 16 Jahre alt ist. Darüber hinaus verdienen sie im genannten Alter bereits viel Geld. Oft sind sie satt, bevor sie Hunger bekommen. Man ist bis zu einem gewissen Grad in diesem System gefangen. (Christian Hackl, 11.3.2020)