In Workshops bereiten sich junge Asylwerber auf Verhandlungen im Zuge des Asylverfahrens vor.

Foto: Verein PatInnen für alle

Erika Kudweis will jungen Asylwerbern Mut machen, sagt sie. Seit 2016 vermittelt die Wienerin mit ihrem Verein PatInnen für alle minderjährige Flüchtlinge als Patenkinder an österreichische Familien. 2017 haben die ersten Burschen aus dem Projekt negative Asylbescheide bekommen, gegen die dann vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Berufung eingelegt wurde. Aus Angst hätten die Patinnen sie damals gebeten, zu den Verhandlungen mitzukommen, erzählt Kudweis. Aufgrund der Erfahrungen, die sie dort gemacht hat, beschloss die Patin von vier jungen Afghanen, das Angebot ihres Vereins zu erweitern. Nämlich um "Workshops gegen die Angst".

"Ich bin da hinten gesessen und dachte, ich werde wahnsinnig", erzählt die gelernte PR-Beraterin über ihre erste Verhandlung. Einmal habe der Dolmetscher beispielsweise übersetzt, dass sich ein Bursch "im Backrohr" versteckt hat. "Wenn man nicht weiß, dass es in Afghanistan gemauerte Brotöfen gibt, so groß wie ein Raum, dann glaubt man dem Bursch nicht, dass ein 15-Jähriger in ein Backrohr passt", sagt Kudweis. Genau durch solche Missverständnisse entstehe bei Richtern ein Eindruck der Unglaubwürdigkeit. "Und wenn man einmal unglaubwürdig ist, dann glaubt der Richter gar nichts mehr."

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht

In den Workshops versucht Kudweis deshalb den Jugendlichen zu vermitteln, wie man solche Missverständnisse vermeiden kann. "Über allem steht natürlich, dass man nicht lügen darf, auch nicht bei kleinen Fragen." Glaubwürdigkeit ist für den Ausgang eines Asylverfahrens entscheidend. Wer keine handfesten Beweise für seine Fluchtgeschichte vorlegen kann, ist darauf angewiesen, dass ein Richter einem glaubt.

Ein besonders wichtiger Punkt sei, klar zu unterscheiden, was man glaubt und was man weiß. In den Verhandlungen werden Fragen nämlich oft mehrmals gestellt. "Wenn man erst glaubt, dass da sieben Soldaten waren, und später glaubt man, es waren neun, dann wird der Richter das nicht glauben", sagt Kudweis. Außerdem gehe es bei der Vorbereitung vielfach darum, sinnliche Eindrücke richtig zu beschreiben, also die Frage: Was habe ich in einer bestimmten Situation gehört, gesehen oder gerochen. Oft seien Jugendliche vor Gericht so aufgeregt, dass sie solche Fragen nicht verstehen. "Wenn ich den Richter da aber nicht abholen kann, dann wird's schwer."

Neben den Workshops bereitet sich Kudweis auch einzeln mit Jugendlichen, auch Mädchen sind darunter, auf Verhandlungen vor. Dabei gehe es vor allem darum, die eigene Geschichte stringent und chronologisch zu erzählen. "Was noch nicht angekommen ist bei den Richtern, ist, dass wenn jemand traumatisiert ist, dann kann er seine Geschichte oft nicht ordentlich chronologisch nacherzählen." Am Ende kommt die Erzählung dann in Bruchstücken und mit Erinnerungslücken beim Richter an, was es ihm schwer macht zu erraten, was wirklich passiert ist.

Der Bedarf wäre enorm

Im Moment veranstaltet Kudweis alle zwei Wochen einen solchen Workshop. Bei jedem Termin nehmen zwischen vier und 14 Jugendliche teil. "Der Bedarf wäre enorm. Den kann ich niemals decken", sagt sie. Die Mittel der gängigen NGOs im Flüchtlingsbereich reichen nicht aus, um Vorbereitungen auf Verhandlungen anzubieten. Kudweis kann sich zumindest drei Stunden pro Gruppe Zeit nehmen.

Um Personal anzustellen, das noch mehr solche Workshops halten kann, versucht die Wienerin zusätzliche finanzielle Mittel aufzustellen. PatInnen für alle finanziert sich nämlich ausschließlich über Spenden, Mitgliedsbeiträge in Höhe von 45 Euro pro Jahr und dem ein oder anderen Preisgeld. So kann es sich der Verein gerade einmal leisten, Frau Kudweis für 20 Stunden anzustellen.

Die ist besorgt, was die Zukunft angeht, wenn die neue Bundesbetreuungsagentur (BBU) kommt. Sowohl die Rechtsberatung als auch die Quartiere für Asylwerber werden dann nicht mehr NGOs, sondern das Innenministerium anbieten. Vor allem darüber, ob man dann noch an die Jugendlichen herankommt, ist sich Kudweis nicht sicher. Die Workshops würden vor allem deshalb so gut funktionieren, weil die Jugendlichen ihr vertrauen. "Wenn ich als Fremde in ein Quartier komme, dann wissen die ja gar nicht, ob sie mir trauen können", befürchtet sie. "Aber vielleicht können wir das ja noch irgendwie abwenden", sagt sie mit Bezug auf die BBU. (Johannes Pucher, 13.3.2020)