Das traditionsreiche Caffè Florian auf dem Markusplatz, Treffpunkt des internationalen Jetsets und ehemals von Größen wie Richard Wagner, Thomas Mann und Ernest Hemingway, musste vor dem Coronavirus-Notstand kapitulieren und ist vorübergehend geschlossen.

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Rom/Venedig – Nach dem Hochwasser im November und dem wegen des Coronavirus unterbrochenen Karneval erlebt die zur Sperrzone erklärte Stadt Venedig bedrückende Tage. Der einstige Magnet des globalen Massentourismus ist menschenleer, in den Gassen sind lediglich wenige Einheimische zu sehen, die so schnell wie möglich ihre Einkäufe erledigen. Die Gondeln stehen still, die Cafés auf dem Markusplatz schließen.

Der einstige Tummelplatz für Ausländer aus aller Welt und Lieblingsziel des Kreuzfahrttourismus ist zum Erliegen gekommen. Die Vaporetti, die sonst überfüllten Wasserbusse am Canal Grande, verkehren fast leer. Das traditionsreiche Caffè Florian auf dem Markusplatz, Treffpunkt des internationalen Jetsets und ehemals von Größen wie Richard Wagner, Thomas Mann und Ernest Hemingway, musste vor dem Coronavirus-Notstand kapitulieren und ist vorübergehend geschlossen.

Tische fast leer

1720 wurde das Caffè Florian, Italiens ältestes Kaffeehaus unter den Arkaden der Procuratie Nuove des Markusplatzes, eingeweiht und bewahrt bis heute viel vom Dekor des 19. Jahrhunderts. Zu seinen berühmten Besuchern zählten Goethe, Lord Byron, Honoré de Balzac, Giacomo Casanova und Marcel Proust. "Wir sind zum Schutz unserer Mitarbeiter und Gäste schweren Herzens zur Schließung gezwungen", kündigte die Leitung des Lokals an. Auf der entgegengesetzten Seite des Markusplatzes bleiben zwei weitere namhafte Cafés – das Quadri und das Lavena – offen, doch die Tische sind fast leer.

Der Markusdom steht nur Gläubigen offen, die beten wollen. Gottesdienste sowie Trauerzeremonien und Hochzeiten sind ausgesetzt. Entlang des Weges vom Bahnhof Santa Lucia bis zum Markusplatz sind unzählige Geschäfte geschlossen. Die Schaufensterbeleuchtungen glamouröser Luxusshops von Modemarken sind ausgeschaltet. Wenige Imbisse locken vergebens mit Panini und Pizza. Die Souvenirstände sind verschwunden.

Schnäppchenpreise

Die Hotels erleben schwierige Zeiten wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Hoteliers, die bereits nach der Flutwelle im Oktober und dem Ausfall chinesischer Touristen wegen der Coronavirus-Epidemie schwere Verluste erlitten haben, wurden in die Knie gezwungen. "Dutzende Hotels haben geschlossen, andere stehen vollkommen leer. Nur wenige haben zehn Prozent aller Zimmer besetzt", klagte der Direktor der venezianischen Hoteliervereinigung AVA, Claudio Scarpa, die 400 Hotels vertritt. Unzählige Ressorts mussten ihre Mitarbeit auf Kurzarbeit null stellen.

Ohne Touristen drohen in Venedig mindestens 10.000 Arbeitsplätze wegzufallen, schätzen Experten. Die wenigen noch offenen Hotels am Canal Grande locken mit Schnäppchenpreisen. Für 60 Euro bekommt man Zimmer, die noch bis vor wenigen Monaten 280 Euro pro Nacht kosteten.

Bis 3. April ist ganz Italien Sperrzone. Sollte die Zahl der Infektionen zurückgehen, hofft Venedig, dass die drakonischen Vorsichtsmaßnahmen mit Bewegungseinschränkungen gelockert werden. In einem Monat beginnen die Osterferien, und die Hoffnung ist, dass bis dahin die Epidemie zurückgegangen ist. "Wenn wir das Coronavirus besiegt haben, sind wir bereit, mit all unseren Kräften für den Neustart Venedigs zu arbeiten", versichern die Hoteliers. (APA, 11.3.2020)