Hier geht's entlang zum obersten Entscheidungsorgan des weitaus größten Medienkonzerns in Österreich.

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Wien – Die Regierung hätte sich ruhig noch ein bisschen Zeit lassen können mit den neuen Stiftungsräten: Die Sitzung des obersten ORF-Entscheidungsorgans kommende Woche ist virenbedingt abgesagt wie Dancing Stars und der Publikumsrat diesen Donnerstag.

Und ein bisschen Zeit ist auch noch, bis die 35 Damen und Herren ORF-Räte die nächste ORF-Führung bestimmen. Seit Mittwoch aber gibt es dafür eine solide bürgerliche Mehrheit, mit der die ÖVP und ihr nahestehende Unabhängige den nächsten ORF-General oder die nächste ORF-Generalin samt Direktoren allein bestimmen können. Mitte 2021 schon.

18 aus 35

18 Stimmen aus 35 braucht es, um die GIS-Gebühren zu erhöhen, das ORF-Jahresbudget abzusegnen, wichtige unternehmerische Entscheidungen für den ORF zu fällen oder eben das ORF-Management zu bestimmen.

Die ÖVP war schon seit der Koalition mit der FPÖ die weitaus größte Fraktion mit 15 Mandaten. Nun wächst ihr "Freundeskreis" im Stiftungsrat um ein weiteres Mandat der Bundesregierung auf 16.

Zwei von neun Mandaten der Bundesregierung haben ÖVP und Grüne für unabhängig deklariert. Die beiden Sitze bekommen nun zwei durchaus Bürgerliche: Ruth Strondl, Marketingchefin des Kunsthistorischen Museums und davor in ÖVP-Ministerien tätig. Und Bernhard Tschrepitsch von den CV-nahen Akademikerhilfe-Studentenwohnheimen. Die beiden würden für 18 Stimmen reichen.


Korrektur Grafik: Ruth Strondl dürfte ebenfalls tendenziell dem bürgerlichen Lager zuzuordnen sein, sie arbeitete vor dem Kunsthistorischen Museum in ÖVP-geführten Ministerien.

Zwei der fünf Betriebsräte im ORF-Stiftungsrat, Gudrun Stindl und Marianne Schüttner, sind ebenfalls unabhängig, werden ORF-intern aber auch eher dem bürgerlichen Lager zugeordnet.

Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz zieht für die Grünen in den ORF-Stiftungsrat ein.
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Wenn sich Stiftungsräte enthalten, reichen entsprechend weniger Stimmen für Bestellungen und Beschlüsse des Stiftungsrats. Wie 2016, als der damalige ORF-Finanzdirektor Richard Grasl gegen ORF-Chef Alexander Wrabetz angetreten ist. Damals enthielt sich die unabhängige Betriebsrätin Stindl. Oder auch der unabhängige Regierungsstiftungsrat und Caritas-Chef Franz Küberl, seit Türkis-Blau nicht mehr im ORF-Rat. Grasl ist heute Mitglied der Kurier-Chefredaktion.

Bei Stimmengleichstand im Stiftungsrat entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die FPÖ entsendet weiter Norbert Steger auf ihrem Parteimandat, 2018 zum Ratschef bestellt. Er fiel mit Drohungen und Kritik am ORF und seinen Journalisten auf.

"Klärende Worte" von Steger verlangt

Heinz Lederer, Stiftungsrat der SPÖ, verlangt nun "klärende Worte" Stegers zur FPÖ-Kampagne gegen die GIS-Gebühren. Sie sind mit gut 640 Millionen die wichtigste Finanzierungsquelle des ORF. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist mit einer Milliarde Euro Österreichs weitaus größtes Medienunternehmen.

Die Grünen haben einen potenziellen Steger-Nachfolger nominiert: Eines von zwei grünen Regierungsmandaten übernimmt Politik- und Strategieberater Lothar Lockl, der schon Wahlkämpfe der Grünen und von Alexander Van der Bellen 2016 leitete.

Grüner Vorsitzkandidat

Lockl war einer der Vermittler zwischen Grün und Türkis bei den Regierungsverhandlungen. Aber: Die Stiftungsräte müssten FPÖ-Mann Steger abwählen.

Das zweite grüne Regierungsmandat geht an Andrea Danmayr, Kommunikationschefin der Angewandten. Und das Parteimandat an die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz.

Noch 2020 hat Kanzler Sebastian Kurz’ Medienbeauftragter Gerald Fleischmann einen Entwurf für ein neues ORF-Gesetz angekündigt. Die ÖVP hat bei diesen Mehrheitsverhältnissen wenig Interesse, an der Zusammensetzung des obersten ORF-Organs Stiftungsrat etwas zu ändern. (Harald Fidler, 12.3.2020)

(Neue Text-Fassung von 11. März 2020 um 18 Uhr.)