Das Neurologische Zentrum am Rosenhügel wurde dank Rothschild-Stiftung gebaut und betrieben. Es existiert noch heute als Teil des Krankenhauses Hietzing.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Der Konflikt um die Rothschild-Stiftung zwischen den Nachfahren der Familie und der Stadt Wien spitzt sich zu. Im Rahmen einer Außer-Streit-Verhandlung ist die Causa bereits im Februar vor dem Bezirksgericht Hietzing gelandet. Wie berichtet, geht es um den Einfluss auf jene vor knapp 100 Jahren gegründete gemeinnützige Stiftung, die das bis heute existierende Neurologische Zentrum am Wiener Rosenhügel errichtet hat und betreibt. Seit 1956 wird die Stiftung vom Magistrat der Stadt Wien verwaltet.

Wie berichtet, fordert aber Rothschild-Nachfahre Geoffrey R. Hoguet, ein New Yorker, unter anderem die Wiedereinsetzung eines unabhängigen Kuratoriums mit zwölf Mitgliedern zur Verwaltung der Stiftung. In diese wurden von Hoguets Vorfahren Nathaniel Freiherr von Rothschild 20 Millionen Kronen eingebracht – was laut Stadt Wien dem heutigen Gegenwert von rund 124 Millionen Euro entspricht. Neun der zwölf Mitglieder wurden ab 1907 von den Rothschilds bestellt, die damit Einfluss auf die Stiftung ausüben konnten.

Rothschild-Stiftung arisiert, aufgelöst und wiederhergestellt

Im Zuge der Machtübernahme durch die Nazis wurde die Rothschild-Stiftung aber arisiert und aufgelöst, das Vermögen wurde der Stadt Wien übertragen. Wiederhergestellt wurde die Stiftung erst wieder im Jahr 1956: Als Verwalter wurde aber nicht mehr wie vor der Arisierung das unabhängige Kuratorium eingesetzt, sondern der Magistrat der Stadt Wien.

Diesen Umstand kritisiert Hoguet als Nachfahre der jüdischen Stifterfamilie. Die "Erben des Stifters wären auszuforschen gewesen", heißt es im Antrag.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kritisiert indes, dass Hoguet ohne Gesprächsaufnahme mit der Stadt gleich vor Gericht gezogen ist. Einen Tag nach dem Termin vor dem Bezirksgericht Hietzing im Februar habe er zudem ein persönliches Gesprächsangebot zur Causa gemacht. "Das Gesprächsangebot wurde aber von Hoguets Rechtsanwalt zurückgewiesen", sagte Hacker dem STANDARD. "Die Einladung zum Gespräch in meinem Büro steht jedenfalls nach wie vor." Hacker bemängelt, "dass Hoguet wohl nicht alle Informationen zur Stiftung bekannt sind, die er haben sollte".

Konflikt um volle Akteneinsicht

Hoguets Anwalt Wulf Gordian Hauser fordert hingegen vor einem Gespräch zwischen Hacker und Hoguet volle Akteneinsicht. Diese wurde ihm vom Magistrat aus juristischen Gründen aber bisher nicht zuerkannt. Allerdings hat auch Richterin Ursula Kovar angekündigt, Akteneinsicht für das Gericht anzufordern. "Ein derartiger Antrag ist noch nicht eingelangt", sagte Agnes Berlakovich, Leiterin der zuständigen MA 40 (Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht).

Anwalt Hauser wies zudem die Aussage Hackers zurück, er habe ein Gesprächsangebot im Namen Hoguets abgelehnt. "Es hat kein einziges direktes Gesprächsangebot gegeben."

Die Wiedereinsetzung eines unabhängigen Kuratoriums statt des Magistrats für die Verwaltung des Neurologischen Zentrums am Rosenhügel kommt für Hacker aber so doer so nicht infrage. Laut dem Stadtrat hätte die Stiftung bereits im Jahr 1923 nicht mehr ausreichend Stiftungsvermögen gehabt, um dem Stiftungszweck nachzukommen. So stehe es in einem Aktenvermerk der k. k. nö. Landesstatthalterei. Hacker führte das auf einen enormen Wertverlust des Stiftungskapitals zurück, das in mündelsicheren Wertpapieren hinterlegt war. "Bei der Auflösung der Stiftung 1938 waren nur noch umgerechnet 7,3 Millionen Euro übrig", sagte Hacker. Damit hätte sich kein Spital mehr betreiben lassen.

Stadt Wien als Letztbegünstigte der Stiftung

Ein weiterer Kritikpunkt von Hoguets Anwalt Hauser ist, dass sich die Stadt im Rahmen einer Stiftungsänderung 2017 als Letztbegünstigte eintragen ließ. Auch Richterin Kovar rügte die Stadt für diese Stiftungsänderung. Laut Stadt Wien habe man damit aber nur die Vorgaben der Finanzbehörden für eine Auflösungsklausel befolgt.

Das Stiftungsvermögen falle zudem nur dann der Stadt zu, wenn zum Zeitpunkt der Auflösung keine andere gemeinnützige oder mildtätige Stiftung mit gleichen und ähnlichen Zwecken wie die Rothschild-Stiftung oder eine andere gemeinnützige und mildtätige inländische Organisation existiert. Dass sich die Stadt Wien das Vermögen der Stiftung einverleibt, sei also laut Berlakovich "vollkommen unrealistisch". Zudem habe die Stadt auch nicht vor, das Neurologische Zentrum am Rosenhügel aufzulösen. (David Krutzler, 11.3.2020)