Es ist der Wohntraum vieler Österreicher und ein Feindbild zugleich: das freistehende Einfamilienhaus. Denn es ist teuer, verbraucht wertvolle Fläche und fördert Vereinsamung, sagen Raumplaner und Architekten.

Die Betonung liegt dabei allerdigs auf "freistehend", denn die größte Flächenverschwendung sind Grundstücke, auf denen mittig ein Haus steht mit Grünstreifen rundherum, die oft auch gar nicht genutzt werden – zumindest nicht auf allen Seiten.

Eine weit effizientere Alternative sind Einfamilienhäuser in geschlossener Bebauung, die also Wand an Wand nebeneinander stehen. Auch sie ermöglichen Privatsphäre, bestätigt Thomas Dillinger, Leiter des Forschungsbereichs Regionalplanung und -entwicklung an der TU Wien.

Private Innenhöfe

Eine Variante sind etwa L-förmige Bauten. Sie schaffen private Innenhöfe, die ein gegenseitiger Sichtschutz und für die Nachbarn nicht einsehbar sind. Oder so genannte Atriumhäuser, wie etwa eine von Maurer & Partner errichtete Reihenhausanlage in Ziersdorf zeigt. Dort bilden abwechselnd Häuser und Garagen eine geschlossene Bebauung, wodurch uneinsehbare Höfe entstehen. "Zwischen den Häusern kann auch eine Garage oder ein Carport liegen, Hauptsache die Fläche wird genutzt", sagt Architekt Ernst Maurer. Apropos Privatsphäre: Anders als es oft die Intention ist, bietet das freistehende Einfamilienhaus in den wenigsten Fällen von sich aus Privatsphäre – meist muss mit Zäunen oder Hecken nachgeholfen werden.

Viele weitere Dinge sprechen aus raumplanerischer Sicht für eine geschlossene Bebauung: Die Häuser können kompakter angeordnet werden – "große Grundstücke sind heute ohnehin schwerer leistbar", sagt Dillinger. Dadurch ist die Besiedlungsdichte höher und die Erschließungskosten sind geringer. Anders als beim freistehenden Einfamilienhaus, wo für jedes ein separater Wasser-, Strom- und Kanalanschluss gelegt und Zufahrtsstraßen gebaut werden müssen.

Die Atriumhäuser in Ziersdorf sind ein Beispiel für die dichte Bebauung.
Foto: Maurer & Partner ZT GmbH

Zudem fallen Kosten für Dämmung weg, und die Heizkosten sind geringer, da jene Wand, die ansonsten eine Außenmauer wäre, gleichzeitig die Wand zum Nachbarn ist. Und: Durch eine geschlossene Front zur Straße hin werden Lärm und Abgase draußen gehalten. Das ist keineswegs eine neue Erkenntnis, weiß Dillinger: "Bei geschlossener_Bebauung entstehen automatisch eine Abschirmung des Gartenbereichs und ruhige Innenhöfe. Das weiß jeder, der schon einmal am Wiener Gürtel ein Haus betreten hat. Dort hört man im Innenhof die Vögel zwitschern."

Apropos: Häuser in geschlossener Bebauung sind ein historisch bewährtes Konzept – ob typisch amerikanische Reihenhäuser, alte Stadtzentren in Europa oder auch Straßendörfer im Weinviertel oder Burgenland, in denen Haus an Haus steht. Freistehende Einfamilienhäuser hingegen waren in der Vergangenheit keineswegs üblich, nur in seltenen Fällen gab es Villen oder einzeln stehende Vierkanthöfe.

"Wer es sich leisten kann, der baut sich ein freistehendes Einfamilienhaus, so ist das heute in den Köpfen drin", sagt Dillinger. Dieses Bild verbreite vorwiegend auch die Werbung, etwa von Banken. Glückliche Familien leben in freistehenden Einfamilienhäusern, sieht man dort.

Die L-Form schafft Privatsphäre.
Foto: Der Standard

"Das hat mit der Individualisierung zu tun und mit dem Drang der Menschen nach Selbstverwirklichung", sagt auch Peter Nageler, Gründer des Architekturbüros Nonconform. Er hat bereits vor einiger Zeit ein Reihenhausprojekt in geschlossener Bebauung gemeinsam mit dem Fertighaushersteller Hartl Haus entwickelt. Wegen mangelnder Nachfrage wurde es nicht umgesetzt.

Das Einfamilienhaus an sich zu verteufeln, davon raten viele Experten ab. Dennoch bauche es Alternativen, die den Flächenverbrauch reduzieren, wie jene in geschlossener Bebauung. Umgesetzt werden könnten sie von Baugruppen und Genossenschaften. Oder von Gemeinden. Die Politik müsse hier steuern, sagt Nageler. Und Maurer fordert ebenfalls: In den Bebauungsplänen müsse vorgeschrieben werden, dass nicht mehr offen gebaut werden darf. (Bernadette Redl, 15.03.2020)