"Jeder kann und muss einen Betrag dazu leisten, Leben zu retten", mahnte Kanzler Sebastian Kurz ein.

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Drei Personen waren am Donnerstag wegen einer Infektion mit dem Coronavirus auf der Intensivstation des Kaiser-Franz-Josef-Spitals.

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Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Donnerstagabend in einer Zeit im Bild-Spezial des ORF nachdrücklich die "rasche und notwendige Reduktion der sozialen Kontakte" in Österreich betont. Ziel sei es, dass das soziale Leben "spätestens ab Montag auf ein absolutes Minimum reduziert ist". Die Bundesregierung werde am Freitag neue staatliche Maßnahmen bekanntgeben. "Jeder kann und muss einen Betrag dazu leisten, Leben zu retten", mahnte der Kanzler ein. Besonders wichtig sei es, die am meisten gefährdete Gruppe – ältere Menschen – zu schützen, indem man persönliche Kontakte mit anderen Menschen massiv einschränke.

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Kurz beeilte sich Sorgen über drohende Versorgungslücken oder -engpässe auszuräumen. "Lebensmittelgeschäfte werden selbstverständlich zu regulären Zeiten geöffnet bleiben. Hier funktioniert unser Land perfekt, das bleibt auch so." Die Eile zusätzlicher Maßnahmen – er ging nicht darauf ein, ob diese im Ausmaß jener am Mittwoch in Italien verkündeten sein werden – ergebe sich aus der Notwendigkeit, so rasch wie möglich die Kurve der Neuerkrankungen abzuflachen. Nur so könne eine medizinische Versorgung gewährleistet werden. "Was wir erreichen müssen, ist eine Kombination von staatlichen Maßnahmen und dem Mitmachen eines jeden Einzelnen."

Gesundheitsstadtrat: Ausgangssperren "undenkbar"

"Undenkbar" ist es laut Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), dass zur Eindämmung der Corona-Erkrankungen Ausgangssperren verhängt werden. Ausgangssperren würden "uns nicht weiterbringen" im Kampf gegen das Coronavirus, sagte Hacker in der "ZiB2". Gefragt seien ruhige, bedächtige Maßnahmen – und eine ordentliche Abwägung der Konsequenzen.

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker im ZiB-2-Interview
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Auch das Innenministerium warnte Donnerstagabend in einer Aussendung davor, Falschmeldungen in den Sozialen Medien über angebliche Maßnahmen Glauben zu schenken.

Im Lauf des Donnerstag hatten Gerüchte über angeblich bevorstehende völlige oder nächtliche Ausgangssperren oder Quarantänezonen auf Facebook, Twitter etc. die Runde gemacht – von denen angeblich bekannte Polizisten erzählt hätten. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) appellierte "an das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen, keine Gerüchte – ob mündlich oder über elektronische Kommunikationsdienste – zu verbreiten".

Erster Todesfall

Am Donnerstag war in Österreich das erste Todesopfer durch Covid-19 gemeldet worden. Der 69-Jährige, der an multiplen Organversagen starb, hatte sich bei einem Italien-Urlaub im Februar mit Sars-CoV-2 infiziert, nach seiner Rückkehr entwickelte er Symptome und kam ins Kaiser-Franz-Josef-Spital (KFJ). Der Mann hätte, so heißt es aus dem KFJ, zwar Vorerkrankungen gehabt, sei ansonsten aber fit gewesen. Zum Todeszeitpunkt wären keine Coronaviren mehr bei ihm nachgewiesen worden, sagt der Leiter der Infektionsabteilung des KFJ, Christoph Wenisch.

So wie viele andere Patientinnen und Patienten sei er nach sieben bis zehn Tagen negativ getestet worden. Allerdings hätte das Virus, während es aktiv war, bereits irreparablen Schaden angerichtet. Zuletzt war der 69-Jährige auf der Intensivstation des KFJ, wo derzeit, so Wenisch, noch drei weitere Patienten liegen würden – die Zahlen würden sich jedoch stündlich ändern. Weitere Todesfälle seien absehbar, sagte der Mediziner am Donnerstag, man sei jedoch in Österreich besser vorbereitet als in Italien. Man habe die Pandemie früher erkannt, die labordiagnostischen Methoden seien besser. "Die Bevölkerung kann abgefangen und getestet werden, wenn sie das braucht."

Erster Fall im AKH

Nur wenige Kilometer nördlich des KFJ, im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH), dem größten Spital Österreichs, wurde am Donnerstag der erste Infektionsfall gemeldet: eine Patientin, die zwei Tage zuvor zur Behandlung auf die Hämatologische Ambulanz kam, wurde positiv auf Sars-CoV-2 getestet und ins KFJ überstellt. Sämtliche Kontaktpersonen seien in Heimquarantäne, heißt es vom Sprecher des medizinischen Krisenstabs der Stadt Wien.

Das, was die WHO seit Mittwoch als Pandemie bezeichnet, nämlich die weltweite Ausbreitung des Virus, beschäftigt jedoch nicht nur Krankenhäuser. Auch Gottesdienste wurden weitestgehend abgesagt. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften entschlossen sich zudem, kirchliche Familienfeiern wie Taufen und Hochzeiten zu verschieben.

Außerdem schließen Senioren- und Pflegeheime ihre Türen für Besucherinnen und Besucher – einzelne Träger und Bundesländer starteten zuvor aus Eigeninitiative ein Besuchsverbot, Donnerstagabend hieß es dann von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), es werde in allen Spitälern und Seniorenwohnheimen "eine weitestgehende Besuchsreduktion geben". Ausnahmen bei Spitälern gebe es nur bei Kleinkindern und im Bereich der palliativen Betreuung.

Man habe sich mit den Gesundheitsreferenten der Bundesländer darauf geeinigt. Daneben werde man sich auf einen Ressourcenschonungsplan in den Spitälern konzentrieren: "Die Kernaufgabe ist es, so gut wie irgendwie möglich die Arbeitsfähigkeit der Spitäler aufrechtzuerhalten."

Covid-19 erklärt.
DER STANDARD

Urlaubssperre für Polizei

Aufgehoben wurde auch die Möglichkeit für Polizistinnen und Polizisten, Urlaub zu beantragen, wie am Donnerstag aus dem Innenministerium bestätigt wurde – rund 25.000 Personen sind betroffen. Das Bundesheer setzt ab Montag außerdem die Stellungen aus – vorerst bis 17. April. Die anstehenden Gemeinderatswahlen in Vorarlberg und der Steiermark wurden verschoben. Die Regierung kündigte an, dass Eltern Sonderurlaub erhalten sollen, wenn sie Kinder wegen der teilweisen Schul- und Kindergartenschließung betreuen müssen.

Stand Donnerstagabend wurden österreichweit mehr als 360 Personen positiv auf Sars-CoV-2 getestet – über 5.000 Testungen waren negativ. Vier Personen sind laut Informationen des Gesundheitsministeriums inzwischen wieder genesen. Am Abend sprach Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) eine Reisewarnung für alle Länder weltweit aus: "Ein außergewöhnlicher aber notwendiger Schritt."

Wer Beschwerden in den oberen Atemwegen hat, kann sich künftig auch per Telefon krankschreiben lassen, wie die Österreichische Ärztekammer dem STANDARD bestätigt. Die Letztentscheidung liege jedoch beim Arzt – ebenso wie die Dauer des Krankenstandes. Eine entsprechende Entscheidung wurde am Donnerstagvormittag von Ärztekammer und Gesundheitsministerium beschlossen. (elas, gian, maa, 12.3.2020)